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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bekam ich dadurch keine Gelegenheit, mein Originalmanuskript mit dem Druck zu vergleichen, aber das machte mir keine Sorge. Es war ja bestimmt worden, daß mir kein Wort geändert werden dürfe, und ich besaß damals die Vertrauensseligkeit, dies für genügend zu halten.
    Der Erfolg des ‚Waldröschens‘ schien nicht nur ein guter, sondern ein ungewöhnlicher zu werden. Münchmeyer zeigte sich in seinen Briefen sehr zufrieden. Er schrieb wiederholt, daß er sich schon jetzt, nach so kurzer Zeit für gerettet halte, denn er hoffe doch, daß der Roman so zugkräftig bleibe, wie er bis jetzt gewesen sei. Er regte den Gedanken an, daß wir nicht in Hohenstein bleiben, sondern nach Dresden ziehen möchten, da er mich in seiner Nähe haben wolle. Meine Frau griff diesen Gedanken mit Begeisterung auf und sorgte dafür, daß er so schnell wie möglich ausgeführt wurde. Ich sträubte mich keineswegs. Hatte ich doch während der Hohensteiner Zeit mehr und mehr an jene Warnung denken müssen, welche in dem Buch des Katecheten zu lesen gewesen war. Ich hatte, dieser Warnung zum Trotz, mich nicht nur an der Stelle, an der ich geboren worden war, seßhaft niedergelassen, sondern mir auch eine Frau von dort genommen. Ich war für einige Zeit geneigt gewesen, den Inhalt dieser Buchstelle als Aberglauben zu betrachten, sah sie aber gar bald wieder mit dem Auge des Psychologen an und wurde sodann durch die Schwere der Tatsachen gezwungen, einzusehen, daß ein einzelner Schwimmer unbedingt leichter über trübe Gewässer hinüberlangt, als wenn er eine zweite Person mitzunehmen hat, die weder schwimmen kann noch schwimmen will. Darum war mir diese Ortsveränderung ganz recht, doch zog ich aus Vorsicht nicht nach Dresden selbst, sondern nach Blasewitz, um mir Ellbogenfreiheit zu sichern. Münchmeyer stellte sich auch da sofort ein, und zwar wöchentlich mehrere Male. Es entwickelte sich ein anfangs ganz förderlicher Verkehr zwischen ihm und uns. Ich arbeitete so, daß ich mir fast keine Ruhe gönnte. Der Roman schritt sehr schnell vorwärts, und sein Erfolg wuchs derart, daß Münchmeyer mich bat, noch einen zweiten und womöglich noch einige weitere zu schreiben. Ich ahnte nicht, daß meine Entscheidung über diesen seinen Wunsch eine für mich hochwichtige sei und daß sie mir, falls sie bejahend ausfallen sollte, zu einer Quelle unsagbaren Elendes und unaussprechlicher Qual werden könne. Ich betrachtete nur die angeblichen Vorteile, sah aber nicht die Gefahr.
    Diese Gefahr entwickelte sich, wie schon einmal, aus meinen literarischen Plänen heraus. Münchmeyer hatte diese Pläne nicht vergessen; er kannte sie noch ganz gut. Er erinnerte mich jetzt an sie. Ich hatte sie damals nicht ausführen können, weil ich meine Stellung bei ihm aufgab. Jetzt aber war ich kein Angestellter, sondern ein freier Mann, der durch nichts verhindert werden konnte, das zu tun, was ihm beliebte. Und die Hauptsache, ich brauchte das, was ich schreiben wollte, nicht, wie bei Pustet, auf viele Jahrgänge auseinanderzudehnen, sondern ich konnte es flottweg hintereinander schreiben, um das, was jetzt als Heftroman erschien, später in Buchform herauszugeben. Das bestrickte mich. Hierzu kam das beständige Zureden meiner Frau, welche die geringen Einwände, die ich zu erheben hatte, sehr leicht zum Schweigen brachte. Kurz, ich gab meine Zustimmung, noch einige Romane zu schreiben, und zwar zu ganz denselben Bedingungen wie das ‚Waldröschen‘. Diese Arbeiten hatten mir also auch nach dem zwanzigstausendsten Abonnenten mit allen Rechten wieder zuzufallen, und dann war mir eine ‚feine Gratifikation‘ zu zahlen. Es gab nur eine einzige Änderung, nämlich die, daß ich für diese Romane ein Honorar von fünfzig Mark pro Heft bezog, anstatt nur fünfunddreißig bei dem ‚Waldröschen‘.
    Infolge dieser Abmachungen begann für mich von jetzt an eine Zeit, an die ich heut nicht ohne Genugtuung, zugleich aber auch nicht ohne tiefe Beschämung denken kann. Ich frage nicht, ob ich mich durch diese Aufrichtigkeit blamiere; meine Pflicht ist, die Wahrheit zu sagen, weiter nichts. Es war ein fast fieberhafter Fleiß, mit dem ich damals arbeitete. Ich brauchte nicht, wie andere Schriftsteller, mühsam nach Sujets zu suchen; ich hatte mir ja reichhaltige Verzeichnisse von ihnen angelegt, in die ich nur zu greifen brauchte, um sofort zu finden, was ich suchte. Und sie alle waren schon fertig durchdacht; ich hatte nur auszuführen; ich brauchte nur zu schreiben.

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