Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Ich zog sie davon fort, zu dem Kranken hinüber. Er erkannte mich und wollte reden, brachte es aber nur zu einem unartikulierten Lallen. Aus seinem Blick sprach eine ungeheure Angst. Da kam der behandelnde Arzt. Er hatte ihn schon gleich früh am Morgen untersucht, tat dies jetzt wieder und gab uns den Bescheid, daß alle Hoffnung vergeblich sei. Als er sich entfernt hatte, glitt die Tochter des Sterbenden vor mir nieder und bat mich, sie ja nicht zu verlassen. Ich versprach es ihr und habe Wort gehalten. Ich habe sogar noch mehr getan. Ich habe ihren Wunsch erfüllt, in Hohenstein wohnen zu bleiben. Wir mieteten uns eine Etage des oberen Marktes und hätten da unendlich glücklich leben können, wenn uns ein solches Glück beschieden gewesen wäre.
    Ich schrieb damals schon einige Jahre für Pustet in Regensburg, in dessen ‚Deutschem Hausschatz‘ meine ‚Reiseerzählungen‘ erschienen. Die Firma Pustet ist eine katholische und der ‚Deutsche Hausschatz‘ ein katholisches Familienblatt. Aber diese konfessionelle Zugehörigkeit war mir höchst gleichgültig. Der Grund, warum ich dieser hochanständigen Firma treugeblieben bin, war kein konfessioneller, sondern ein rein geschäftlicher. Kommerzienrat Pustet ließ mir nämlich schon bei der zweiten kurzen Erzählung durch seinen Redakteur Vinzenz Müller mitteilen, daß er bereit sei, alle meine Manuskripte zu erwerben; ich solle sie keinem anderen Verlag senden. Und zahlen werde er sofort. Bei längeren Manuskripten, die ich ihm nach und nach schicken solle, gehe er sehr gern auf Teilzahlungen ein; soviel Seiten; soviel Geld! Es wird wohl selten einen Schriftsteller geben, dem ein solches Anerbieten gemacht wird. Ich ging mit Freuden darauf ein. Rund zwanzig Jahre lang ist das Honorar, wenn ich das Manuskript heute zur Post sandte, genau übermorgen eingetroffen. Ich erinnere mich keines einzigen Males, daß es später gekommen wäre. Und niemals hat es in Beziehung auf das Honorar auch nur die geringste Differenz zwischen uns gegeben. Ich habe nie mehr verlangt, als was vereinbart worden war, und als Pustet es mir plötzlich verdoppelte, tat er das aus eigenem, freiem Entschluß, ohne daß ich einen hierauf bezüglichen Wunsch geäußert hatte. Solchen Verlegern bleibt man treu, auch ohne nach ihrem Glauben und ihrer Konfession zu fragen.
    Aber noch wertvoller als diese Pünktlichkeit war für mich der Umstand, daß alle meine Manuskripte vorausbestellt waren und sicher an- und aufgenommen wurden. Das machte es mir möglich, meine auf die ‚Reiseerzählungen‘ bezüglichen Pläne nun endlich auszuführen. Es war mir nun der nötige Spaltenraum für lange Zeit hinaus sichergestellt. Durch wen ich diese Erzählungen dann später in Buchform herausgeben würde, war eine Frage, die einstweilen noch offenbleiben konnte. Es gibt feindselige Menschen, welche behaupten, daß ich mich nur um des Geldes willen an diesen katholischen Verlag herangemacht habe. Das ist eine Unwahrheit, für deren Gewissenlosigkeit und Verwerflichkeit ich keine Worte finde. Ich habe ganz das Gegenteil von dem getan, dessen man mich da beschuldigt. Ich habe dem ‚Deutschen Hausschatz‘ und seinem Herausgeber Opfer gebracht, von deren Größe die Familie Pustet keine Ahnung hatte. Vor mir liegt ein Brief, den Professor Josef Kürschner, der bekannte, berühmte Publizist, mit dem ich sehr befreundet war, am 3. Oktober 1886 an mich schrieb. Es handelte sich um die bei Spemann in Stuttgart erscheinende Revue ‚Vom Fels zum Meere‘, für welche ich mitgearbeitet habe.
    Der Brief lautet wie folgt:
    „Sehr geehrter Herr!
    Sie haben inzwischen schon wieder für andere Unternehmungen Beiträge geliefert, während Sie mich mit dem längst Versprochenen noch immer im Stich ließen. Das ist eigentlich nicht recht, und ich bitte Sie dringend, nun Ihr Versprechen mir gegenüber wahr zu machen. Ich will diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Sie zu fragen, ob Sie nicht geneigt wären, einmal einen recht packenden, und situationsreichen Roman zu schreiben. Ich würde Ihnen in diesem Fall ein Honorar bis zu tausend Mark pro ‚Fels‘-Bogen zusichern können, wenn Sie etwas Derartiges schreiben würden.
    In vorzüglicher Hochachtung
    Ihr ergebenster Josef Kürschner.“
    Das Honorar, welches ich von Pustet bekam, war gegen diese tausend Mark so unbedeutend, daß ich mich scheue, seinen Betrag zu nennen. Wenn ich Pustet trotzdem vorgezogen habe, so ist das ein gewiß wohl mehr als

Weitere Kostenlose Bücher