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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mystisch? Nicht im allergeringsten! Es ist so offenbar Gleichnis, und so wenig mystisch, daß mir, offengestanden, ein jeder, der das erstere bestreitet und das letztere behauptet, als ein Mensch erscheint, der einen Namen verdient, den ich nicht nennen will. Wer guten Willens ist und nicht mit unbedingt feindlicher Absicht an das Lesen meiner Bücher geht, wird ohne weiteres finden, daß ihr Inhalt fast nur aus Gleichnissen besteht. Und ist er einmal zu dieser Einsicht gelangt, so bleiben ihm ganz sicher die zahlreichen Himmelsmärchen nicht verborgen, die in diesen Gleichnissen eingestreut liegen und den eigentlichen, tiefsten Inhalt meiner Reiseerzählungen zu bilden haben. Diese Märchen sind es auch, aus denen sich mein eigentliches Lebenswerk am Schluß meiner letzten Tage zu entwickeln hat.
    Ist doch gleich meine erste Gestalt, nämlich Hadschi Halef Omar, ein Märchen, nämlich das Märchen von der verlorengegangenen Menschenseele, die niemals wiedergefunden werden kann, außer sie findet sich selbst. Und dieser Hadschi ist meine eigene Anima, jawohl, die Anima von Karl May! Indem ich alle Fehler des Hadschi beschreibe, schildere ich meine eigenen und lege also eine Beichte ab, wie sie so umfassend und so aufrichtig wohl noch von keinem Schriftsteller abgelegt worden ist. Ich darf also wohl behaupten, daß ich gewisse Vorwürfe, die mir von meinen Gegnern gemacht werden, keineswegs verdiene. Würden diese Gegner es einmal wagen, so offen über sich selbst zu sprechen wie ich über mich, so würde das sogenannte Karl-May-Problem schon längst in jenes Stadium getreten sein, in welches es zu treten hat, mag man wollen oder nicht. Denn dieses Karl-May-Problem ist auch ein Gleichnis. Es ist nichts anderes, als jenes große, allgemeine Menschheitsproblem, an dessen Lösung schon ungezählte Millionen gearbeitet haben, ohne etwas Greifbares zu erreichen. Ganz ebenso hat man schon jahrzehntelang an mir herumgearbeitet, ohne es weiter zu bringen als zu der traurigen Karikatur, als die ich in den Gehirnen und in den Schriften derer lebe, die sich berufen wähnen, Probleme zu lösen, dies aber immer nur da tun, wo keine vorhanden sind.
    Ich nenne ferner das Märchen von ‚Marah Durimeh‘, der Menschheitsseele, von ‚Schakara‘, der edlen, gottgesandten Frauenseele, der ich die Gestalt meiner jetzigen Frau gegeben habe. Das Märchen vom ‚erlösten Teufel‘, vom ‚eingemauerten Herrgott‘, vom ‚versteinerten Gebet‘, von den ‚verkalkten Seelen‘, von den ‚Rosensäulen des Beit-Ullah‘, von dem ‚Sprung in die Vergangenheit‘, von der ‚Dschema der Lebendigen und Toten‘, von der ‚Schlacht am Dschebel Allah‘, vom ‚Mahalamasee‘, vom ‚Berg der Königsgräber‘, vom ‚Mir von Dschinnistan‘, vom ‚Mir von Ardistan‘, von der ‚Stadt der Verstorbenen‘, vom ‚Dschebel Muchallis‘, von der ‚Wasserscheide von El Hadd‘ und noch viele, viele andere. Wie man bei einem geistig und seelisch so bedeutsamen, ja schweren Inhalt meine Bücher als ‚Jugendschriften‘ und mich als ‚Jugendschriftsteller‘ bezeichnen kann, würde unbegreiflich sein, wenn man nicht wüßte, daß alle, die diesen Fehler begehen, sie entweder nicht begriffen oder überhaupt nicht gelesen haben.
    Selbst ‚Winnetou‘, der so leicht zu lesen zu sein scheint, bedarf, wenn er sich im vierten Bande zum Schluß neigt, eines Nachdenkens und eines Verständnisses, welches doch gewiß keinem Quartaner und keinem Backfisch zuzutrauen ist! Wenn man trotzdem noch ferner bei den Ausdrücken ‚Jugendschriften‘ und ‚Jugendschriftsteller‘ bleibt, so muß ich das als einen gewollten Unfug bezeichnen, zu dem sich kein anständiger, ernster Kritiker hergeben wird.
    Gibt man aber ehrlich und der Wahrheit gemäß zu, daß meine ‚Reiseerzählungen‘ nicht als Jugendschriften verfaßt worden sind, so ist der jetzt landläufig gewordenen Behauptung, daß sie schädlich sind, aller Boden entzogen. Es lese sie doch nur der, dem sie nicht schädlich sind; ich zwinge ja keinen andern dazu! Weshalb und wozu die Vorwürfe alle, die man mir jetzt in Hunderten von Zeitungen macht? Sieht man sich diese Vorwürfe aber genauer an, so verlieren sie allen Wert. Früher lobte man mich; jetzt tadelt man mich. Das ist so Mode geworden und wird, wie jede Mode, sich wieder in das Gegenteil verkehren. Aber diese Mode ist nicht nur Mode, sondern Mache! Selbst wenn meine Bücher jetzt von keinem Menschen mehr gelesen würden, könnte mich das

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