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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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doch nicht im geringsten beunruhigen, denn ich weiß, daß man sehr bald hinter diese Mache kommen und sich demgemäß verhalten wird. Ja, hätte ich meinen Lesern bloß nur Unterhaltungsfutter geliefert, so hätte ich von der Bildfläche zu verschwinden, um nie wieder aufzutauchen, und würde ganz von selbst so verständig sein, mich darein zu ergeben. Aber ich habe während meines ‚Lebens und Strebens‘ allzu viele und allzu große Fehler begangen, als daß ich so mir nichts, dir nichts untergehen und für immer verschwinden dürfte. Ich habe gutzumachen! Was der Sterbliche sündigt, das hat er zu büßen und zu sühnen, und wohl ihm, wenn ihm die Güte des Himmels erlaubt, seine Schuld nicht mit über den Tod hinüberzunehmen, sondern sie schon hier zu bezahlen. Das will ich tun; das darf ich tun, und das werde ich tun! Ja, ich behaupte kühn: das habe ich schon getan! Dem irdischen Gesetz habe ich schon längst alles gegeben, was es von mir zu fordern hatte; ich bin ihm nichts mehr schuldig. Und was über diese von Menschen gestellten Paragraphen hinausgeht, das werde ich begleichen, indem ich das, was ich noch schreiben werde, dem großen Gläubiger widme, der ganz genau weiß, ob ich ihm mehr als jene andern schuldig bin, die sich besser dünken als May.
    Ich bin überzeugt, daß meine Sünden, soweit sie mir anzurechnen sind, nur auf persönlichem, nicht aber auf literarischem Gebiet liegen; auf letzterem bin ich mir keiner Missetaten bewußt. Was ich mit meinen ‚Reiseerzählungen‘ erreicht habe, wird erst nach meinem Tod durch Tausende von Zuschriften bekannt werden, die aber selbst dann noch nur mein Biograph zu sehen bekommt; veröffentlicht werden sie nicht. Man pries diese Werke und schwärmte für sie, bis es eines Tages einem gewissenlosen Menschen einfiel, öffentlich zu behaupten, daß ich außer ihnen auch noch andere, aber ‚abgrundtief‘ unsittliche Sachen geschrieben habe. Selbst wenn dies wahr gewesen wäre, hätte das die ‚Reiseerzählungen‘ weder innerlich noch äußerlich im geringsten verändern können. Dennoch wurden sie von jenem Tag an zunächst mit Mißtrauen betrachtet, dann mehr und mehr verleumdet und endlich gar für direkt schädlich erklärt und aus den Bibliotheken gestoßen, in denen sie früher willkommen geheißen worden waren. Warum? Waren sie anders geworden? Nein! Hatten sich die bibliographischen Gepflogenheiten, die ethischen Gesetze verändert? Nein! Waren die Bedürfnisse der Leser andere geworden? Auch nicht! Aber aus welchem Grund denn sonst? Einfach einer Schund- und Kolportageclique wegen, die sich vorgenommen hatte, mich, wie sie sich selbst auszudrücken pflegte, ‚kaputtzumachen‘. Aber ist es denn menschenmöglich, daß eine derartige Clique einen so großen, unbegreiflichen Einfluß auf Literatur und Kritik zu gewinnen vermag? Leider ja! Ich habe im nächsten Kapitel hiervon zu erzählen. Diese Rotte scheut sich nicht, ihre eigenen Sünden und literarischen Verbrechen auf mich zu werfen und sich als rein zu gebärden! Es gibt sogenannte Kritiker, welche mich wegen meiner Münchmeyer-Romane nun schon zehn Jahre lang mit allen möglichen Schmähungen besudelt, dem Verlag aber noch nicht einen einzigen, auch nicht den leisesten Vorwurf gemacht haben. Ich bezeichne das als eine Schande!
    Man sagt, daß unsere Schundverleger jährlich fünfzig Millionen Mark aus dem deutschen Volk ziehen. Das ist fürchterlich, aber noch viel zu niedrig geschätzt. Ein einzelner Schundroman, der ein sogenannter Schlager ist, kann dem Volk mehr als fünf und sechs Millionen kosten, und es gibt Kataloge, in denen z.B. die eine Firma Münchmeyer achtundfünfzig – man lese und staune – achtundfünfzig solcher Romane zu gleicher Zeit anpreist! Man rechne; man multipliziere! Welche Verluste! Welch eine ungeheure Summe von Gift und Unheil! Wie viel Hunderte, ja Tausende von Menschen arbeiten daran, dieses Gift zu erzeugen und zu verbreiten! Und nun schlage man in den Zeitungen, in den Journalen, in den Büchern nach, wen man für das alles verantwortlich macht, wen man an den Pranger stellt, wen man verachtet, verspottet und verhöhnt! Karl May, Karl May, immer wieder Karl May und nur und nur Karl May! Wo sieht und liest man jemals einen andern Namen, als nur diesen einen? Was habe ich denn getan, daß man mich überhaupt zum Schund zählt? Wo stecken die zweitausend wirklichen Schundschriftsteller, welche jahraus, jahrein rastlos dafür sorgen, daß in Deutschland und

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