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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geblieben. Es gelang mir, gegen Fischer eine einstweilige Verfügung zu erreichen, welche ihm verbot, meine Romane weiterzudrucken. Er durfte nur noch komplettieren. In dieser für ihn sehr heiklen Lage kam er mit meinem Rechtsanwalt zu sprechen und klagte über den Verlust, der ihm dadurch entstehe; dieser betrage schon vierzigtausend Mark. Wenn das nicht aufhöre, müsse er sich noch ganz anders wehren als bisher und mich durch die Veröffentlichung meiner Vorstrafen in allen Zeitungen vor ganz Deutschland kaputt machen. Als mein Rechtsanwalt mir diese Drohung mitteilte, ging mir ein Licht auf; ich begann zu begreifen und fühlte mich verpflichtet, dieses Terrain zu sondieren. Es kam eine Unterredung zwischen Fischer und mir zustande, in einer separierten Weinstube, unter vier Augen. Da wurde er offenherzig. Er sagte mir alles, was er während der Verkaufsverhandlungen von Münchmeyers über mich und meine Romane erfahren hatte. Ich erfuhr den ganzen Feldzugsplan, von dem ich bisher keine Ahnung gehabt hatte. Es war ihm weisgemacht worden, ich sei vorbestraft, und zwar mit Zuchthaus, weil ich als Lehrer Umgang mit Schulmädchen gepflogen habe. Das passe außerordentlich zu dem Vorwurf der Zeitungen, daß ich unsittliche Romane geschrieben habe. Man brauche das nur zu veröffentlichen, so sei ich für immer kaputt. Ich sei jetzt ein berühmter Mann und habe mich vor solchen Veröffentlichungen zu hüten; das wisse man ebensogut wie ich selbst. Was ich mit Münchmeyer über meine Romane ausgemacht habe, sei gleichgültig. Münchmeyer sei tot. Es komme darauf an, wer zu schwören habe. Und daß May den Eid nicht bekomme, dafür werde man zu sorgen wissen. Seine Vorstrafen seien die beste Hilfe, die es gebe. Man brauche ihm nur mit der Veröffentlichung zu drohen, so nehme er gewiß jeden Prozeß zurück. Es genügen zwei Zeilen an ihn, so ist er still. „Den haben wir in der Hand!“
    In dieser Weise hatte man zu Fischer gesprochen, und daraufhin hatte er das Geschäft gekauft. So versicherte er mir. Daß meine Romane verändert worden seien, das wisse er. Nur wisse er nicht genau, von wem. Wahrscheinlich von Walter. Der habe ja weiter gar nichts anderes als solche Sachen zu machen und dann die Korrekturen zu lesen gehabt. Und das sei gar nicht schwer und gehe sehr schnell. Man braucht nur ein Wort zu ändern oder einige Worte hinzuzufügen, so ist die ‚Unsittlichkeit‘ da, ohne die es bei solchen Romanen nun einmal nicht abgehen will. Ich könne diese Änderungen sehr leicht nachweisen; ich brauche nur meine Originalmanuskripte vorzulegen.
    „Aber die sind ja verbrannt!“ fiel ich ein.
    Das stellte Fischer aber ganz entschieden in Abrede. Er behauptete, sie seien noch da. Er könne sie mir verschaffen, aber freilich unter den jetzigen Verhältnissen nicht, wo ich sein Prozeßgegner sei und ihn mit meiner einstweiligen Verfügung zugrunde richte. Er könne nur dann mein Helfer sein und als Zeuge für mich eintreten, wenn ich diese Verfügung fallenlasse und mich mit ihm vergleiche.
    Diese Unterredung war für mich von unendlicher Wichtigkeit. Es galt, vorsichtig zu sein. Ich fragte mich, ob ich trauen dürfe. Waren die Originalmanuskripte wirklich noch da, so konnte ich allerdings alle gegen mich gerichteten Vorwürfe, wie Fischer gesagt hatte, mit einem Schlag verstummen machen. Aber er konnte mich täuschen wollen oder auch selbst getäuscht worden sein. Ich durfte nicht vorschnell entscheiden; ich mußte beobachten und überlegen, zumal diese Wendung meiner Angelegenheit in eine Zeit fiel, in der mich schwere, innerliche Kämpfe derart beschäftigten, daß ich für anderes weder Zeit noch Raum zu finden vermochte. Das war die Zeit meiner Ehescheidung.
    Aufrichtig gestanden, neige ich sehr zu der katholischen Betrachtung der Ehe, daß diese ein Sakrament sei. Wenn ich nicht dieser Ansicht wäre, so hätte ich diesen Schritt schon längst getan und nicht erst dann, als es meine Gesundheit, mein Leben und meine ganze innere und äußere Existenz zu retten galt. Man hat mir diesen Schritt in hohem Grad übelgenommen, sehr mit Unrecht. Katholische Kritiker, die anstatt auf sachlichem Gebiet zu bleiben, ihre Angriffe auf das persönliche hinüberspielten, haben mir in einem Atem vorgeworfen, daß ich Protestant sei und mich von meiner Frau habe scheiden lassen. Wie unlogisch! Grad weil ich als Protestant gelte, hat kein Mensch das Recht, mir den zweiten Vorwurf zu machen. Für jeden nur einigermaßen anständigen

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