74 - Mein Leben und Streben
wegen der Romane von Karl May gekauft habe. Alles andere sei nichts wert. Er werde diese meine Sachen so ausbeuten, wie es nur möglich sei, und mich, falls ich ihn daran hindere, auf Schadenersatz verklagen. Dieser Ton fiel mir auf. In dieser Weise pflegt man nur mit sehr minderwertigen Menschen zu sprechen. Ich mußte diesem mir vollständig unbekannten Herrn Fischer in einer Art geschildert worden sein, die ihn zu dieser Achtungslosigkeit verleitete. Ich forderte meine Frau auf, mir über diesen Fall sofort und so ausführlich wie möglich zu berichten. Ich gab ihr zu diesem Zweck meine Reiseroute genau an. Ich wartete in Kairo sechs Wochen, in Beirut vierzehn Tage, in Jerusalem mehrere Wochen. Ich schrieb und telegrafierte, doch vergebens; es kam kein Bericht. Endlich erhielt ich einige Zeilen, in denen sie mir sagte, daß sie in Paris gewesen sei, aber weiter nichts. Als in Massaua, der Hauptstadt von Eritrea am Roten Meere, mein arabischer Diener mir die Post brachte, quoll mir eine Menge deutscher Zeitungen entgegen, aus denen ich, der gar nichts Ahnende, ersah, was sich in der Heimat inzwischen gegen mich ereignet hatte. Fischer hatte meine Abwesenheit benutzt, mit einer illustrierten Ausgabe meiner Münchmeyerschen Romane zu beginnen, und zwar mit derartigen Reklametrompetenstößen, daß alle Welt auf dieses Unternehmen aufmerksam werden mußte. Mein Name war genannt, obgleich ich diese Romane, nur einen ausgenommen, Pseudonym geschrieben und Münchmeyer verpflichtet hatte, diese Pseudonymität auf keinen Fall zu brechen. Zugleich stellte sich heraus, daß mit den Romanen eine Umarbeitung vorgenommen werden sollte. Mir wurde himmelangst. Ich schrieb heim und beauftragte einen dortigen Freund, dem ich vollständig vertrauen konnte, sich einen Rechtsanwalt zu Hilfe zu nehmen und meine Sache bis zu meiner Heimkehr zu führen, wenn nötig sogar gerichtlich.
Dieser Freund hieß Richard Plöhn und war der Besitzer der ‚Sächsischen Verbandstoffabrik‘ in Radebeul, die er gegründet hatte. Man wird bald sehen, warum ich für kurze Zeit bei ihm verweile. Er war außerordentlich glücklich verheiratet. Seine Familie bestand nur aus ihm, seiner Frau und seiner Schwiegermutter. Wir waren so innig miteinander befreundet, daß wir einander Du nannten und, sozusagen, eine einzige Familie bildeten. Aber außer zu mir auch noch zu meiner Frau Du zu sagen, das brachte Plöhn nicht fertig. Er versicherte, daß ihm dies unmöglich sei. Frau Plöhn ist jetzt meine Frau. Es ist mir also nicht erlaubt, von ihren Eigenschaften oder gar Vorzügen zu sprechen. Die letzteren waren rein seelische. Meine damalige Frau hat nie in einem meiner Bücher gelesen. Der Zweck und Inhalt meiner Schriften war ihr ebenso unbekannt und gleichgültig wie meine Ziele und Ideale überhaupt. Frau Plöhn aber war begeisterte Leserin von mir und besaß ein sehr ernstes und tiefes Verständnis für all mein Hoffen, Wünschen und Wollen. Ihr Mann freute sich darüber. Er sah mein Ringen, mein angestrengtes Arbeiten, oft dreimal wöchentlich die ganze Nacht hindurch, keine helfende Hand, kein warmer Blick, kein aufmunterndes Wort; ich stand innerlich allein, allein, allein, wie stets und allezeit. Das tat ihm weh. Er versuchte, durch seine Frau auf die meinige einzuwirken, damit diese mir wenigstens die störende Korrespondenz abnahm, vergeblich. Da bat er mich, seiner Frau zu erlauben, daß diese es tue; das werde für sie und ihn eine große Freude sein. Ich gestattete es den beiden guten Menschen. Von da an lag mein Briefwechsel in der Hand von Frau Plöhn. Tausenden von Leserinnen und Lesern ist über der Unterschrift von ‚Emma May‘ geantwortet worden, ohne daß sie wußten, daß es nicht meine Frau, sondern eine schwesterliche Helferin war, die mir meine Last erleichterte. Sie arbeitete sich mehr und mehr in meine Gedankenwelt und meinen Briefwechsel ein, so daß ich ihr schließlich die ganze, umfangreiche Korrespondenz getrost überlassen konnte. Ihr Mann war stolz darauf. Noch stolzer fast war ihre Mutter, eine einfach gewöhnte, sehr arbeitsame, praktische Frau, die gar zu gern auch mitgeholfen hätte, wenn es möglich gewesen wäre, denn auch sie besaß eine Seele, die nicht unten bleiben wollte, sondern nach oben strebte.
Also diesen Freund beauftragte ich, meine Angelegenheit so kräftig wie möglich in die Hand zu nehmen, und er tat es, so gut er konnte. Er übergab die prozessuale Durchführung einem Dresdener Rechtsanwalt und
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