760 Minuten Angst
Sofa auf. »So jemand wie du gehört weggesperrt, oder besser noch, sofort weggeräumt.«
Constantin ging nicht auf Ricks Worte ein. Er erzählte einfach seine Geschichte weiter.
»Auch wenn ich nicht dabei war, ich hatte genug Zeit und Geld, um alles rekonstruieren zu können. Ich weiß, dass meine Frau von einem angetrunkenen Mann angefahren wurde, wodurch sich im Körper meiner Frau Blutungen ausbreiteten.
Ich weiß auch, dass es fünf Augenzeugen gab, die allesamt nichts unternommen haben.
Stella, die lieber mit ihrer Oma telefonierte.
Benjamin, der Fotos vom Unfall machte.
Jakob, der unfähig war, seine Angst zu überwinden.
Richard, der einfach keinen Bock zu helfen hatte.
Und Valentina, die es viel zu eilig hatte, um zu ihrer besten Freundin zu kommen.
Sie alle haben nur zugesehen.
Sie alle haben Linda getötet !«
»Ich fass es nicht. Was für eine Scheiße«, gab Rick als Kommentar ab.
»Aber ich wollte doch nicht … dass sie stirbt«, versuchte sich Stella herauszureden. »Es war … ein Unfall.«
»Ja, natürlich war es ein Unfall. Doch dass Linda sterben musste, nicht.«
»Wie meinst du das?«, wollte Jake genauer wissen.
»Die Ärzte haben es mir später erzählt. Wenn der Rettungswagen nur fünf Minuten früher am Unfallort eingetroffen wäre, dann hätte Linda höchstwahrscheinlich überlebt. Doch weil ihr niemand helfen wollte, musste sie sterben. Deswegen habt ihr meine Verlobte umgebracht.«
»Hat nicht eher der betrunkene Autofahrer deine Freundin ermordet?«, entgegnete Rick. »Warum ist er nicht hier?«
»Weil er sich bereits selbst gerichtet hat. Drei Monate nach dem Unfall hat er sich im Auto vergast. Er konnte mit der Schuld nicht mehr leben, ganz im Gegensatz zu euch.«
»Und deswegen dieser ganze Zirkus? Dafür diese Schnitzeljagd? Warum hast du uns dann nicht gleich getötet, wenn es dir nur um Rache ging?«
»Weil es nicht nur darum geht, Richard«, erwiderte Constantin gelassen. »Habt ihr es immer noch nicht begriffen, was genau die Schnitzeljagd ist? Warum ich all das inszeniert habe?«
»Nein … und es ist mir auch scheißegal!«
»Aber mir nicht«, sagte Jake und Stella stimmte kopfnickend zu. Auch sie wollte den wahren Grund erfahren.
»Seht ihr denn nicht, was ich aufgebaut habe?
Ich habe euer Liebstes auf der Welt entführt, euch Prüfungen auferlegt, um sie zu retten und doch begreift ihr nicht, warum?«
»Wir sollen den gleichen Schmerz erfahren wie du, nicht wahr?«, stellte Jake in einer Frage fest.
»Ja. Und doch gab ich euch die Chance, euer Liebstes zu retten. Ihr musstet nur drei Prüfungen bestehen. Ihr musstet nur euer eigenes Leben auslöschen.
Jede Prüfung ist so ausgelegt, einen Teil eures selbst oder eures Lebens auszulöschen. Ihr solltet euer eigenes Leben für das eurer Liebsten geben. Wisst ihr überhaupt, was für ein Glück ihr habt?«
»Glück?! Glück nennst du das?! Du spinnst doch! Sieh dir mal meinen Arm an und dann sag nochmal, dass das Glück ist!«
Rick streckte ihm demonstrativ den Armstumpf entgegen und sah dabei hasserfüllt in den Bildschirm. Am liebsten hätte er diesen nutzlosen Arm darin vergraben.
»Und was meinst du, ist es für ein Gefühl, am Bett seiner Geliebten zu sitzen und ihr dabei zuzusehen, wie sie stirbt?«, erwiderte Constantin und stand nun ebenfalls auf. »Wie, glaubst du, fühlt es sich an, wenn man nichts für sie tun kann. Wenn du ganz genau weißt, dass du sie verlieren wirst. Wenn du alles für sie geben würdest, alles und sich doch nichts ändern würde? Na, Richard, was glaubst du wohl, wie sich das anfühlt?
Beschissen!«
Nie hätten die Spieler geglaubt, Constantin einmal so laut schreien zu hören. Es war ein Aufschrei aus tiefstem, gebrochenem Herzen. Es nahm sogar Jake und Stella mit, auch wenn sie es nicht zugeben wollten.
»Ich habe sie geliebt … verdammt! Ich hätte alles für sie getan! Ihr glaubt, ich habe euch durch die Hölle geschickt? Schwachsinn! Das was ich jeden Tag aufs Neue durchlebe, ist die Hölle und nichts weiter.
Ich hätte mir sämtliche Gliedmaßen abgehackt, mir so viel Säure ins Gesicht geschüttet, wie ich auftreiben könnte und womöglich alle um mich herum getötet, wenn es mir nur meine geliebte Linda zurückgegeben hätte.
Und ihr? Ihr jammert wegen ein wenig Schmerz und verurteilt mich als Psychopathen? Schön, wenn es euch hilft, doch ich gebe euch die Chance, euer Liebstes zu retten, etwas, dass ich nicht hatte … wegen euch !«
Constantin war
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