8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
bleibt.«
»Was sagen Sie zu diesem Vorschlag?« fragte der Richter Pomfrey. Pomfrey ordnete die Falten einer unsichtbaren Toga. »Wir wollen keine Barmherzigkeit von der Arbeiter-Co., sondern Gerechtigkeit vor dem Gesetz. Wir verlangen, daß Jerrys Menschtum gesetzlich festgestellt wird. Nicht damit er wählen oder Besitz erwerben kann oder daß seine Gruppe gar Sonderrechte erwirkt – nein. Wir verlangen lediglich, daß er in demselben Sinne als Mensch erklärt wird wie dieses Aquariumungeheuer, das vor einigen Minuten den Saal verlassen hat.«
Der Richter wandte sich an Jerry: »Ist das Ihr Wunsch, Jerry?«
Jerry sah Pomfrey unbehaglich an und nickte dann: »Okay, Boß.«
»Dann kommen Sie hierher, und setzen Sie sich in diesen Stuhl.«
»Einen Augenblick …« Der Hauptverteidiger der gegnerischen Partei schien nervös zu sein. »Ich bitte das Hohe Gericht zu bedenken, daß eine Regelung dieser Angelegenheit im Sinne der Antragstellung schwerwiegende Folgen für eine seit langem bestehende wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung …«
»Einspruch!« Pomfrey war kriegerisch aufgesprungen. »Ich habe noch nie einen unverschämteren Versuch gesehen, das Gericht zu beeinflussen. Mein geschätzter Kollege könnte ebensogut verlangen, daß man einen Mörder aus politischen Gründen freispricht. Ich protestiere …«
»Dem Protest wird stattgegeben«, erklärte der Richter ruhig. »Anklagevertreter, fahren Sie fort.«
Pomfrey verbeugte sich. »Wir untersuchen immer noch die Bedeutung dieses seltsamen Begriffes ›Mensch‹. Wir haben gesehen, daß er unabhängig ist von Form, Rasse, Geburtsort und Intelligenzgrad. Ich möchte behaupten, daß dieser Begriff nicht mit dem Verstand definiert werden kann, sondern nur mit dem Herzen.« Er wandte sich an Jerry. »Jerry, willst du nicht dem Herrn Richter dein neues Lied vorsingen?«
»Klar, Boß.« Jerry sah ein wenig unsicher die surrenden Kameras und die blinkenden Mikrophone an, doch dann räusperte er sich und begann den uralten Blues:
»Way down upon the Savannah River
Far, far away;
There’s where my heart is turning ever …«
Seine Aussprache war miserabel, und in den höheren Tonlagen sang er entsetzlich falsch.
Der donnernde Applaus ängstigte ihn und das schrille Bimmeln der Ordnungsglocke noch mehr – aber das war gleichgültig. Der Ausgang der Verhandlung stand außer Zweifel: Jerry war ein Mensch.
Vom selben Autor sind in den Heyne-Taschenbüchern die Zukunftsromane »Weltraummollusken erobern die Erde« (Band 3043) und »Die Reise in die Zukunft« (Band 3087) erschienen. Überall im Buchhandel und Bahnhofsbuchhandel erhältlich.
Walter M. Miller jr.
Der Schauspieler
Im Universal an der fünften Straße wurde ›Judas, Judas‹ gespielt, und wie man den Anschlägen entnehmen konnte, waren alle Rollen mit Menschen besetzt. Ryan Thornier hatte seit Wochen dafür gespart, und nun konnte er sich eine Eintrittskarte für die Nachmittagsvorstellung leisten. Er konnte das Stück sehen, bevor – was vorauszusehen war – den Veranstaltern das Geld ausging und der Vorhang nach ein paar mühevoll durchgestandenen Wochen zum letztenmal fiel. Er war mit freudiger Erwartung erfüllt. Nachdem er im New Empire-Theater als Portier und Ausfeger tagein tagaus die erbärmliche Äfferei der ›dramaturgischen Kunst‹ miterleben mußte, war die Gelegenheit, wieder einmal richtiges Theater zu sehen, für ihn wie ein Atemzug in reiner, prickelnder Luft. Am Mittwochmorgen kam er eine Stunde früher zur Arbeit und machte sich mit Feuereifer ans Werk. Noch vor ein Uhr war er fertig, nahm hinter der Bühne eine Dusche, zog seinen Straßenanzug an und stieg nervös die Treppe hinauf, um Imperio d’Uccia um einen freien Nachmittag zu bitten.
D’Uccia thronte an einem wackligen Schreibtisch vor einer Wand, die mit Fotografien leicht bekleideter weiblicher Stars früherer Zeiten bepflastert war. Er hörte sich das Anliegen seines Angestellten mit undurchsichtigem Lächeln an, dann zog er sich in die Höhe, beugte sich über den Schreibtisch und fixierte Thornier aus kleinen schwarzen Augen.
»Frei? Sie wollen den Nachmittag frei?« Er schüttelte den Kopf, verblüfft über eine so unbegreifliche Bitte.
Thornier scharrte unbehaglich mit den Füßen. »Ja, Sir. Ich bin mit meiner Arbeit fertig, und Jigger kommt herüber, damit jemand da ist, falls Sie etwas Besonderes brauchen.« Er machte eine Pause. D’Uccia betrachtete mit ernstem
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