8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
faltigen Lidern. Dann ging eine plötzliche Veränderung über sein Gesicht, und er war wieder Chaubrecs Adolfo, im zweiten Akt des Stückes: »Die Geschichte des Soldaten Kwang.«
Irgendwo unten fiel eine Tür ins Schloß. D’Uccia war gegangen.
»In den Tod!« zischte Adolfo-Thornier, warf seinen Kopf zurück und lachte Adolfos Lachen. Danach fühlte er sich ein wenig besser. Er nahm seine Eimer und Besen auf und ging durch den Korridor zu d’Uccias Tür. Wenn ›Judas, Judas‹ sich nicht noch bis zum Wochenende auf dem Spielplan hielt, würde er das Stück nicht mehr sehen, denn eine Karte für die Abendvorstellung konnte er sich nicht leisten, und es hatte keinen Zweck, d’Uccia um Gefälligkeiten zu bitten. Während er den Korridor putzte und wachste, kochte er innerlich vor Wut. Er wachste bis vor d’Uccias Tür, dann stand er auf und starrte minutenlang geistesabwesend in das leere Büro.
»Ich hab’s satt«, sagte er zuletzt.
Das Büro blieb still. Die Geranien vor dem Fenster bewegten sich im Wind.
»Ich hab’s satt«, wiederholte er. »Ich bin fertig!«
Das Büro blieb stumm. Thornier richtete sich auf und tippte an seine Brust.
»Ich, Ryan Thornier, höre auf. Haben Sie mich gehört? Das Spiel ist aus!«
Als keine Antwort erfolgte, machte er kehrt und ging hinunter. Minuten später kehrte er zurück, mit einer Dose Goldfarbe und zwei Malerpinseln aus der Bühnenbildnerwerkstatt. Wieder blieb er auf der Schwelle stehen.
»Kann ich noch etwas für Sie tun, Mr. d’Uccia?« schnurrte er.
Von der Straße drang Verkehrslärm herauf. Der Wind bewegte die Geranien. Das alte Gebäude knackte und ächzte.
»Ah, Sie möchten, daß ich auch die Wandritzen zuschmiere? Wie konnte ich es nur vergessen!«
Er schnalzte tadelnd mit der Zunge und ging ans Fenster. Die schönen Geranien. Er öffnete den Farbtopf, stellte ihn auf die Fensterbank und begann sorgfältig mit dem Vergolden der Geranien. Er bemalte Blüten, Blätter und Stöcke, bis die Blumen glänzten. Als er fertig war, trat er zurück und bewunderte lächelnd die vergoldeten Blumen. Dann machte er sich wieder an seine Arbeit im Korridor.
Vor d’Uccias Büro wachste er mit besonderer Sorgfalt. Er wachste unter dem Fußabstreifer, der die abgewetzte Stelle am Boden bedeckte, wo d’Uccia seit fünfzehn Jahren jeden Morgen eine scharfe Linkswendung in sein Allerheiligstes zu machen pflegte. Er drehte den Fußabstreifer um und bestäubte das Gewebe mit trockenem Wachspulver. Schließlich legte er ihn an seinen Platz zurück, stellte seinen linken Fuß darauf und schob ihn mehrere Male hin und her, um sich zu vergewissern, daß die Gleitfähigkeit seiner Vorstellung entsprach. Der Fußabstreifer glitt wie auf Kugellagern hin und her.
Thornier lächelte in sich hinein und ging nach unten. Die Welt schien auf einmal anders auszusehen. Sogar die Luft roch anders. Er verhielt auf dem Treppenabsatz, um sich im Spiegel zu betrachten.
Ah! Er war wieder der Alte. Nichts mehr von dem gebeugten, hageren Lakaien. Nichts mehr von der traurigen Müdigkeit des Sklaven. Mochten die Schläfen auch grau sein, das Gesicht von tiefen Linien zerfurcht – etwas vom alten Thornier war geblieben. Von welchem Thornier? Adolfo? Oder Hamlet? Julius Caesar? Galilei? Von jedem, von allen; denn er war wieder Ryan Thornier, der große Schauspieler aus vergangenen Zeiten.
»Wo bist du so lange gewesen?« fragte er sein Spiegelbild mit einem kleinen Lächeln der Anerkennung. Er zwinkerte sich zu und machte sich auf den Heimweg. Es war Abend geworden. Morgen, so versprach er sich selbst, würde ein neues Leben beginnen.
»Aber das versprichst du schon seit Jahren, Thorny«, sagte der Mann im Kontrollraum. »Was soll das heißen: du hörst auf? Hast du bei d’Uccia gekündigt?«
Thornier lächelte überlegen, während er mit seinem Besen eine Ecke auskehrte. »Nicht direkt, Richard«, sagte er. »Aber der Padrone wird es früh genug merken.«
Der Techniker murmelte geringschätzig. »Ich verstehe dich nicht, Thorny. Klar, wenn du wirklich aufhörst, das wäre großartig; vorausgesetzt, du fängst anderswo nicht wieder mit dem gleichen Job an.«
»Niemals!« proklamierte der alte Schauspieler. Er blickte auf die Uhr. Fünf vor zehn. D’Uccia mußte bald zur Arbeit kommen. Er lächelte.
»Wenn du wirklich aufhören willst, was machst du dann überhaupt hier?« fragte Richard Thomas. Er blickte kurz auf. »Warum gehst du nicht nach Hause, wenn du deinen Job an den
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