8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
doch unmöglich! Irgendwo muß es doch – ich meine, sonst könnten doch nicht – ich meine …« Ich wußte nicht, wie ich es ihr erklären sollte und verlor mich in einem hilflosen Gestammel.
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich wußte, daß es Ihnen unglaublich erscheinen würde, Jane – darf ich Sie Jane nennen? Aber es ist so. Ich bin jetzt eine alte Frau von achtzig Jahren. Und in meinem ganzen langen Leben habe ich noch nie einen Mann gesehen … außer auf Fotografien. Trinken Sie Ihren Sherry, meine Liebe. Er wird Ihnen gut tun.« Sie machte eine Pause. »Hoffentlich regen meine Eröffnungen Sie nicht allzu sehr auf.« Ich trank gehorsam mein Glas leer, zu verblüfft, um im Augenblick zu widersprechen. Mein Inneres wehrte sich dagegen, und doch mußte ich zugeben, daß ich bis jetzt wirklich noch keinem Mann begegnet war. Sie fuhr ruhig fort, ohne auf meine Verwirrung Rücksicht zu nehmen.
»Ein bißchen kann ich mir vorstellen, wie es in Ihnen aussehen muß. Sie müssen wissen, daß nicht alle meine Geschichtskenntnisse aus Lehrbüchern stammen. Als sechzehn- oder siebzehnjähriges Mädchen saß ich oft stundenlang bei meiner Großmutter und hörte ihren Erzählungen zu. Sie war damals so alt wie ich heute bin, aber ihre Erinnerungen an die Jugendzeit waren noch sehr lebendig. Ich konnte die Plätze, von denen sie sprach, fast sehen – obwohl sie Teil einer so völlig anderen Welt waren. Wenn sie von dem jungen Mann sprach, mit dem sie verlobt gewesen war, rollten ihr immer noch Tränen über die Wangen – sie weinte nicht nur um ihn, sondern um die Welt, in der sie als junges Mädchen gelebt hatte. Sie tat mir leid, obwohl ich sie nie so ganz verstand. Wie sollte ich auch? Aber jetzt, da ich selbst alt bin und so viel gelesen habe, komme ich ihr näher.« Sie sah mich neugierig an. »Und Sie, meine Liebe? Vielleicht waren Sie auch verlobt oder verheiratet?«
»Verheiratet – aber nur für kurze Zeit«, sagte ich.
Sie überdachte meine Auskunft ein paar Sekunden.
»Es muß ein seltsames Gefühl sein, als Besitz zu gelten«, meinte sie dann nachdenklich.
»Als Besitz?« wiederholte ich erstaunt. »Als Besitz des Ehemannes«, erklärte sie mit einem mitleidigen Lächeln.
Ich starrte sie an.
»Aber das – aber so war es doch gar nicht«, protestierte ich. »Es war …« Ich konnte nicht weitersprechen, weil mich die Tränen würgten.
Als ich mich wieder gefaßt hatte, fragte ich:
»Aber was geschah denn? Wo in aller Welt sind die Männer geblieben?«
»Sie starben«, erklärte die alte Dame. »Sie wurden krank. Niemand konnte die Krankheit aufhalten. In kaum mehr als einem Jahr waren sie bis auf wenige ausgerottet.«
»Aber ist dann nicht – ist dann nicht alles zusammengebrochen?«
»O ja. Größtenteils. Es war eine sehr schlimme Zeit. Es gab Hungersnöte. Am schlimmsten betroffen waren natürlich die Industriegebiete. In den rückständigeren Ländern und den ländlichen Gegenden konnten die Frauen die Felder bestellen und für ihren und ihrer Kinder Lebensunterhalt sorgen. Doch die großen Organisationen brachen fast völlig zusammen. Das Transportwesen kam zum Erliegen. Erdöl wurde knapp, man förderte keine Kohle mehr. Denn obwohl die Frauen schon in normalen Zeiten in der Überzahl waren, spielten sie doch nur als Verbraucher eine bedeutende Rolle. Als nun die Krise auf ihrem Höhepunkt stand, stellte sich heraus, daß kaum eine der Frauen über die wichtigen Dinge des Lebens Bescheid wußte, da sie sich durchwegs im Besitz von Männern befanden und ein Leben als Haustiere und Schmarotzer gelebt hatten.«
Ich wollte widersprechen, doch die durchsichtig zarte Hand winkte ab.
»Es war nicht allein ihr Fehler«, erklärte die alte Dame. »Sie waren Gefangene einer Entwicklung, aus der sie nicht ausbrechen konnten. Diese Entwicklung hatte ihren Anfang schon im elften Jahrhundert genommen – in Südfrankreich. Der Begriff ›Romantik‹ wurde hier bei den wohlhabenden Schichten geprägt. Es handelte sich ursprünglich lediglich um eine Modetorheit. Mit der Zeit jedoch fand die Romantik Eingang in alle Bevölkerungsschichten, und dem neunzehnten Jahrhundert war es vorbehalten, die darin liegenden wirtschaftlichen Möglichkeiten zu erkennen und auszunützen.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts begannen die Frauen ihre Chancen wahrzunehmen und wollten ein sinnvolles, schöpferisches Leben führen. Doch das paßte dem Handel nicht. Er brauchte sie als Massenverbraucher, nicht aber als
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