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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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dreizehn die Jüngste, Jülide mit siebzehn die Älteste. Da passt du mit deinen fünfzehn ganz gut dazwischen. Bist du aufgeregt?«
    Jenny nickte und folgte Frauke, die energisch ausschritt. Wie bei einem Westernheld wehte ihr der lange schwarze Mantel um die Beine. In dem Gewusel vor dem Busbahnhof machten ihr die Leute Platz; Frauke war keine, der man sich in den Weg stellte oder die man zur Seite schob. In ihrem Schlepptau fühlte sich Jenny sicher. Der Weg führte über eine belebte Kreuzung und an mehreren Hotels vorbei. Dann bog Frauke in eine kleinere Straße ab und klingelte an einem tomatenrot gestrichenen Haus.
    Â»Praktisch, was«, meinte Frauke und deutete auf die Farbe. »Fällt in der Straße auf wie ein bunter Hund, findet man immer wieder. Ach, übrigens: Die Sozialarbeiterin heißt Scarlett. Wirkt auf den ersten Blick ziemlich verkniffen, ist aber eine, mit der es sich leben lässt.«
    Ein gelb gestrichenes Treppenhaus, auf den Fensterbänken zwischen den Stockwerken Topfpflanzen. In der zweiten Etage klingelte Frauke an einer Tür, an der ein Herzlich-Willkommen-Schild hing.
    Ein Mädchen, bestimmt zwei Kopf größer und eine Tonne schwerer als Jenny, öffnete ihnen die Tür.
    Â»Ich bin Jule, kommt rein. Kaffee ist schon fertig. Wir sitzen in der Küche.«
    Sie ging voraus. Jenny hielt sich im Windschatten von Fraukes breitem Kreuz und dachte, dass sie sich mit Jule nicht anlegen durfte. Gegen so eine Kraftwumme hatte ein Hänfling wie sie keine Chance. Aber vielleicht war Jule ja eine von der friedlichen Sorte.
    Kaffeeduft wehte durch den Flur, von dem einige Türen abgingen. Eine stand einen Spalt breit offen, Jenny erspähte das Kopfende eines Bettes, über dem ein Poster von Mezut Özil hing. Guter Fußballer, hübscher Junge.
    In der Küche saßen alle auf einer Eckbank: Jülide, groß, traurige Augen, die schwarzen Haare zu einem strengen Zopf gebunden. Jelena, die Jüngste, ein Clown mit abgebissenen Fingernägeln und Ritzspuren an den Unterarmen.
    Â»Wie heißt er?«, rief sie, deutete auf Rintintin und sprang auf. »Soll ich ihm was zu trinken geben?«
    Jelena wartete Jennys Antwort nicht ab. Sie kletterte geschwind hinter der Eckbank hervor, holte einen Suppenteller aus dem Schrank, füllte ihn mit Wasser und stellte ihn vor Rintintin auf den Boden. Der Hund nahm hastig ein paar Schlucke. Jelena kniete sich neben ihm auf den Boden, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte den Hund fest an sich. Erst als Rintintin knurrte, ließ sie ihn los.
    Â»Du darfst ihn nicht stören, wenn er trinkt«, sagte Jenny.
    Â»Er hat so ein weiches Fell. Wie alt ist er?« Jelena war etwas vorsichtiger, als sie Rintintins Hinterläufe tätschelte.
    Â»Zehn Jahre. Mein Vater hat ihn mir geschenkt, als er noch ganz klein war.«
    Â»Toll! Mein Vater hat mir nie ein Tier geschenkt.«
    Und mein Vater war nicht mein Vater, sondern der von Joe-Joe, und er hat mir ein Hundebaby geschenkt, bevor er auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist, dachte Jenny und ärgerte sich, dass sie den Kerl überhaupt erwähnt hatte.
    Â»Bestimmt seid ihr unzertrennlich«, vermutete Jelena und zog eine Schnute, als Rintintin die Hinterläufe streckte und dabei ihre Hand abschüttelte.
    Â»Sind wir«, bestätigte Jenny. »Ohne Rintintin gehe ich nirgendwohin.« Zufällig traf ihr Blick den von Frauke, die inzwischen breitbeinig auf einem der zwei Stühle am Tisch hockte. Es war ein Blick, bei dem sich Jenny der Magen zusammenzog. Sie hätte nicht sagen können, warum. Sie wich dem Blick aus, sah hinunter auf die schweren Stiefel der Kriegerin. Hinter dem Stiefelabsatz blitzten silberne Sporen. Wem immer sie die in die Hacken schlug, der hatte nichts zu lachen.
    Â»Jetzt kommt mal her, ihr zwei, und lasst den Hund in Ruhe«, forderte Scarlett sie auf, die jetzt auch in die Küche gekommen war.
    Kurzhaarschnitt, Jeans, Sweatshirt, so der sportliche Typ. Distelaugen, der Mund schmal wie eine Rasierklinge. Ob sie mit der warm werden konnte, da war sich Jenny überhaupt nicht sicher.
    Sie erhob sich, aber Jelena blieb knien und versuchte noch einmal, Rintintin zu umarmen. Der Hund zeigte ihr knurrend die Zähne, sie sprang erschreckt hoch.
    Â»Blöder Hund«, zischte sie beleidigt.
    Mit der wird’s auch nicht leicht, dachte Jenny. Glaubt, sie kann sich nehmen, was ihr gefällt,

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