8 Tage im Juni
und ist beleidigt, wennâs nicht klappt.
Dann tranken sie Kaffee, sprachen über dies und das. Schule, Fernsehserien, Lieblingsmusiker. Harmloses Geplänkel. Jülide freute sich, weil Jenny Mezut Ãzil gut fand. Sie hatte eine sanfte, leise Stimme. Wenn sie lachte, wich die Traurigkeit aus ihrem Blick. Jule aà viele Kekse und sagte selten etwas. Aber wenn sie redete, dann war sie punktgenau und witzig. Jelena schnatterte ohne Unterlass. Es gab nichts, wozu sie nicht ihren Senf zugab. Scarlett freute sich, dass Jenny gerne kochte, und erzählte von den Hausregeln. Frühstück richten, Badezimmer putzen, Spülmaschine einräumen, Alkohol, Ausgang und so weiter. Nichts, was Jenny schreckte. Jülide wollte Jenny ihr Zimmer zeigen und Jenny folgte ihr. Ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Sessel, alles aus Kiefernholz. Vom Fenster aus sah man in einen Innenhof, in dem ein Forsythienstrauch und ein paar Mülltonnen standen. An der Wand ein zurückgelassenes einsames Plakat von Angelina Jolie aus Lara Croft.
»Kannst du abnehmen«, erklärte Jülide. »Ich weià nicht, warum Conny es nicht mitgenommen hat. Kannst deine eigenen Bilder mitbringen, aufhängen, was dir gefällt. Nur keinen Nazikram und so.«
Jenny nickte und stellte sich für einen Moment vor, wie es wäre, wenn sie ein Plakat von Tim Raue an die Wand hängte. Da würden sich die anderen bestimmt wundern. Kein schöner Mann und dann noch total unbekannt. Und da in der Ecke vor dem Fenster würde sie Rintintin ein Plätzchen herrichten. »Conny. Warum ist sie gegangen?«, fragte sie, bevor sie sich in weiteren Einrichtungsfantasien verlor.
»Wollte wieder nach Hause. Hatte Sehnsucht nach Mami und Papi.«
»Und du?«, fragte Jenny.
»Ich geh nie mehr nach Hause zurück.«
Hinter der Traurigkeit in ihren Augen sah Jenny jetzt noch etwas anderes: wilde Entschlossenheit. Die brauchte man, wenn man nie mehr nach Hause zurückwollte.
»Und was ist mit dir?«, fragte Jülide. »Warum willst du von zu Hause weg? Prügelnder Vater? Saufende Mutter?«
»Ich brauch eine Auszeit.«
Mehr würde sie nicht sagen. Aber vielleicht war Jülide eine, mit der man irgendwann über Jasmin, über Toni und die Schläger, sogar über den Jungen reden konnte. Eine mögliche Freundin. Eine Seelenverwandte. Abwarten. Vielleicht. Möglicherweise. Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste.
Eine halbe Stunde später schlenderte sie mit Frauke und Rintintin zurück zum Hauptbahnhof.
»Und?«, fragte Frauke. »Brauchst du noch Bedenkzeit oder hast du dich schon entschieden?«
»Jülide gefällt mir und der Humor von Jule. Jelena ist etwas nervig, die muss man sich auf Distanz halten. Und das Zimmer ist toll. Scarlett weià ich noch nicht, die hat was Zickiges«, sprudelte es nur so aus Jenny heraus.
»HeiÃt das jetzt ja oder nein?«, wollte Frauke wissen.
»Ja«, sagte Jenny schnell, weil sie Angst hatte, dass sie sonst der Mut wieder verlieÃ.
Frauke nickte. »Soll ich bei dem Gespräch mit deiner Mutter dabei sein? Ich denke nicht, dass du ihr etwas davon erzählt hast, oder?«
»Ich schaffe das«, flüsterte Jenny. Es würde ihr schwerfallen, aber es musste sein: Es ist doch nur eine Auszeit, Mama, nicht für immer. Nur ein wenig Luft holen, das Schuljahr zu Ende bringen. In den Ferien bin ich zurück ⦠Das musste Jasmin doch verstehen.
»Du rufst mich an, wenn du Hilfe brauchst, ja?«
»Mach ich«, versprach Jenny und wollte sich verabschieden, aber Frauke hielt sie noch fest.
»Einen Pferdefuà hat die Sache, Jenny«, sagte sie. »Rintintin. Du kannst ihn nicht mitnehmen. Tiere sind in der WG verboten.«
â
Am Hauptbahnhof auf eine U-Bahn zu warten war für Lovis nach dem Ãberfall das pure Grauen. Das ständige Kommen und Gehen und dann diese explosive Mischung an Leuten: Besoffene mit irrem Blick, Punker mit Hunden, eilige Geschäftsleute, angeschickerte Touristen und Omas mit mindestens drei Koffern. Dieser Ort war ein idealer Nährboden für Lovisâ Angst, gefräÃig mähte sie jeden Widerstand nieder. Sie trieb seinen Herzschlag in die Höhe, drückte ihm schwer auf die Brust, übersäuerte seinen Magen, vernebelte ihm den Kopf. Um ihr zu entkommen, war Lovis kurz davor, zu Fuà nach Hause zu laufen.
Da entdeckte
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