8 Tage im Juni
Burg trat. Die Tartaren dösten in den Plastikstühlen und lieÃen sich von ihrer Balalaika-Musik einlullen. Ihre Unterhemden klebten am Körper, auf ihrer Haut glänzte SchweiÃ. Manchmal griffen sie mit einer lässig-langsamen Bewegung nach einer der Bierflaschen, die auf dem Boden standen, nahmen einen Schluck daraus oder kühlten die erhitzte Haut mit dem kalten Glas. Neben den Plastikstühlen warteten ein paar Elektroherde darauf, ausgeschlachtet zu werden. Bei den Temperaturen konnte das dauern, wusste Jenny. Vielleicht machten sich die Tartaren nach Einbruch der Dunkelheit an die Arbeit, vielleicht erst in ein paar Tagen, wenn es nicht mehr so heià sein würde.
Im Briefkasten keine Post des Jobcenters, noch keine Nachricht von Oma Hilde und Frauke hatte gesimst, dass sie erst morgen bei Jenny vorbeikommen konnte. Niemand, mit dem sie reden konnte, keiner, der ihr das Geld für die Klassenfahrt vorstreckte. So sah es aus. Alles andere wäre ja auch zu schön gewesen!
Rintintin stupste sie mit der Nase an, sie griff nach einem Stock und warf ihn in die Luft. Es staubte, als er auf dem Schotterweg zu Boden fiel und Rintintin ihn sich holte. Natürlich wollte der Hund das Spielchen fortsetzen, aber Jenny hatte keine Lust dazu. So trotteten sie in müder Eintracht durch die pralle Sonne bis zum Einkaufsparadies. Die klimatisierte, kühle Luft in der Einkaufshalle lieà sie nach der Hitze frösteln und Jenny erledigte schnell die notwendigen Einkäufe: Brot, Nudeln, Apfelkompott, Milch. Mehr war nicht drin, weil Jasmin schon fast kein Geld mehr im Portemonnaie hatte.
Morgen früh würde sie zum Jobcenter gehen, hatte sie Jenny versprochen. Aber versprochen hatte Jasmin schon viel. Und morgen gab es bestimmt wieder tausend Gründe, warum sie die Wohnung nicht verlassen konnte. Auf alle Fälle hatte ihr Jenny eine Kopie des Antrages für den Zuschuss zur Klassenfahrt auf den Wohnzimmertisch gelegt, damit die vom Jobcenter nicht behaupten konnten, der Antrag wäre nie gestellt worden. Ein Tipp von Frauke, die mit solchen Dingen Erfahrung hatte.
Auf dem Rückweg lieà sie Rintintin einen kleinen Abstecher ins Brachland nehmen, sie selbst blieb allerdings auf dem Schotterweg. Die Hitze machte träge, zudem wollte sie den Schlägern nicht noch mal über den Weg laufen. Dafür tauchte Toni wie aus dem Nichts auf, als sie sich auf den Heimweg zur Roten Burg machte.
»Ich brauch deine Hilfe, Jenny!«
Ein falsches Grinsen um den Mund, aber ein echtes Flehen im Blick. Sah fast so aus, als wäre dies keine zufällige Begegnung, als hätte er sie gesucht.
»Ach, ja?«
Sie lief weiter, Toni neben ihr her.
»Ist nur eine Kleinigkeit«, meinte er. »Da will mir einer was Ãbles anhängen. Behauptet, dass ich an einer Schlägerei beteiligt war. War ich nicht, ehrlich. War ich viel zu besoffen zu. Kannste dich erinnern? Der Abend, an dem du mir die Tür aufgeschlossen hast? Ich hab den Bullen gesagt, dass ich den ganzen Abend mit dir zusammen war.«
»Du hast was?«
Jenny schrie so laut, dass Toni und Rintintin zusammenzuckten. Ausgerechnet von ihr, die gesehen hatte, wie er Lovis zusammenschlug, wollte er ein Alibi!
»Ach komm, Jenny! Ist doch nur ein bisschen gelogen.«
»Ich hab dich an dem Abend höchstens zehn Minuten gesehen. Fünf, als du dich hinter dem Holunderbusch ausgekotzt hast, und fünf weitere, als ich dir die Haustür aufgesperrt habe.«
»Weià ich doch!«
Der Satz kam schon ganz kleinlaut daher, und bei dem, was er danach sagte, winselte er wie ein geprügelter Hund.
»Ich steck knietief in der ScheiÃe, Jenny. Ich habe doch noch Bewährung. Wenn die mich wegen der Schlägerei anklagen und ich verurteilt werde, wandere ich in den Knast. Deshalb brauch ich ein wasserdichtes Alibi.«
Bewährung? Das hieÃ, dass er schon mal vor Gericht gestanden hatte, und zwar nicht wegen einer Kleinigkeit. Schwerer Diebstahl, schwere Körperverletzung. So was in der Art. Wie wenig sie aus dem letzten Jahr von ihm wusste! Natürlich wollte sie nicht, dass er in den Knast kam. Trotzdem, das konnte er nicht von ihr verlangen. Sie lief schneller, aber Toni hielt mit ihr Schritt.
»Jenny! Ich bin es doch! Dein alter Ritter Anton«, flehte er.
»Warum fragst du nicht die zwei Typen, mit denen du herumhängst? Die haben bestimmt kein Problem, eine Falschaussage zu
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