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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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gute Vorarbeit geleistet.
    Â»Und du kannst wirklich nicht mehr sprechen?«, fragte Konrad.
    Lovis zuckte mit den Schultern. Zumindest heute wollte er es noch nicht mit dem Sprechen versuchen. Es hatte ihn genug Überwindung gekostet, wieder in die Schule zu gehen. Er wollte noch gar nicht wissen, wie seine Klassenkameraden reagierten, wenn sie merkten, dass er stotterte. Und gerade Konrad. Das war einer, der gern Profit aus den Schwächen von anderen schlug.
    Â»Hat auch seine Vorteile«, meinte Konrad. »Kann dich keiner von den Lehrern mehr aufrufen.«
    Â»Nice to see you, Lovis«, begrüßte ihn Tikker, der Englischlehrer, zur nächsten Stunde, ließ ihn dann aber in Ruhe. Genau wie die Meier-Rosenfeld danach in Deutsch.
    Nächstes Klingeln. Große Pause. Er blieb im Klassenzimmer. Trotz des herrlichen Sommertages. Morgens um zehn schon fast dreißig Grad. Schwimmbadwetter. Vielleicht gab es heute hitzefrei. Von draußen hörte er Lärmen, Kreischen und Lachen. Er trat ans Fenster und sah Nils, Konrad und die anderen beim Basketballspielen. Er beobachtete ihre eleganten und wendigen Bewegungen, mit denen sie den Gegner überlisteten, um dann zum Sprung anzusetzen und den Ball mit Wucht ins Netz zu schlagen. Manchmal hatte er mit ihnen gespielt und er spielte gar nicht schlecht. Aber heute hatte er keine Lust auf Schulhof, keine Lust auf Ballspiele, keine Lust, begafft zu werden, keine Lust auf dämliche Fragen von neugierigen Fünftklässlern.
    Â»Ach, da bist du.«
    Ãœberrascht drehte Lovis sich um und sah Vera in der Tür stehen.
    Â»Ich habe dich schon gesucht.«
    Sie kam auf ihn zu. Schmaler Rock, dünne Bluse, Push-up-BH, der ihren Busen bestens zur Geltung brachte. Alle Jungs fanden, dass Vera die tollsten Titten der ganzen Klasse hatte. Und Vera, da war sich Lovis sicher, wusste, dass alle Jungs dies dachten. In der Hand hielt sie eine offene Tüte Gummibärchen.
    Â»Hier, die isst du doch so gerne!«
    Lovis nickte, griff beherzt in die Tüte und schob sich ein zusammengeklebtes buntes Bärchen-Knäuel in den Mund. Vera pickte sich ein einzelnes rotes Bärchen aus der Tür, spitzte den Mund und sog es mit einem leisen »Plopp« ein.
    Â»Gilt dein Angebot noch, dass du mich auf dem Schulfest auf der Gitarre begleitest?«, fragte sie und forschte in der Tüte nach einem weiteren roten Bärchen.
    Mit der Gummimasse zwischen den Zähnen nickte Lovis. Er merkte, wie sein Mund frischen Speichel produzierte, um die gelierten Bärchen zu zersetzen. Es fiel schwer, nicht zu schmatzen.
    Â»Wann sollen wir üben? Ich könnte heute Nachmittag bei dir vorbeikommen.«
    Ohne zu überlegen, schüttelte Lovis den Kopf. Vera konnte er heute Nachmittag auf keinen Fall ertragen. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sie etwas Aufdringliches, etwas Klebriges hatte. Wie die Gummibärchen in dieser Tüte. »Ich mail dir«, deutete er mit den Fingern an.
    Â»Aber denk dran, dass das Schulfest schon am Samstag ist und wir mindestens zwei Übungstermine brauchen.«
    Natürlich hörte er den Vorwurf in ihrer Stimme. Noch ein rotes Gummibärchen verschwand zwischen den spitzen Lippen, dann schloss sie die Tüte, ohne ihm ein weiteres Mal welche anzubieten. Auch gut, dachte Lovis. Ich kann ohne deine Gummibärchen leben. Das Klingeln beendete die Zweisamkeit, die Lovis irgendwie unangenehm gewesen war. Sie gingen an ihre Plätze zurück. Physik, Russisch, Geschichte. Letzte Stunde hitzefrei. Der erste Schultag war überstanden.
    Â»Hast dich wacker gehalten, Alter«, lobte Nils ihn auf dem Weg zur Bahnstation. »Danke für Mathe. Ohne dich wäre ich mal wieder abgekackt.«
    Â»I-ich hab sie wiedergesehen.«
    Nils drehte sich abrupt zu ihm um. »Wow! Werde ich da grade Zeuge vom Ende deiner Sprachlosigkeit? Mann, Alter, du kannst wieder reden! Das ist ja echt der Hammer! – Und jetzt erzähl mal! Wen hast du wiedergesehen?«
    Jenny, erzählte Lovis ihm. Die Sache mit dem Schülerausweis, wie er sie zufällig wiedergesehen hatte, ihr in die Rote Burg gefolgt war. Das alles ging nicht ohne Stottern ab. Immer wenn er ein bisschen schneller reden wollte, verhedderten und verdrehten sich die Buchstaben in seinem Mund. Nils tat so, als ob er das nicht bemerkte. Aus Höflichkeit, vermutete Lovis. Oder weil Nils nicht wusste, wie er reagieren sollte.
    Â»Wo hast du gesagt, dass sie

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