8 Tage im Juni
Jenny nickte.
Sie packten ihren Kram zusammen und liefen zu den Umkleidekabinen. Wieder angezogen trafen sie sich kurze Zeit später wieder.
»Ich weiÃ, wie wir bleiben können«, flüsterte ihm Jenny verschwörerisch zu. »Oder musst du schon nach Hause?«
Lovis schüttelte den Kopf. Jenny griff seine Hand und gemeinsam schlenderten sie ein ganzes Stück brav in Richtung Ausgang. Beim Kiosk allerdings zog Jenny Lovis zur Seite, lief dann mit ihm in groÃem Bogen durch das Gebüsch am Rande der Anlage zurück zu den Umkleidekabinen. Dabei hatte sie immer den Bademeister im Blick, der mit einem Kescher vergessene Gummi-Enten und anderes Spielzeug aus dem Wasser holte und in einem Plastikkorb sammelte. Als er diesen in Richtung Kassenhäuschen trug, huschten sie in die Frauenumkleide, öffneten eine der Kabinen und hängten ihre Sachen an einen Haken. Dann dirigierte Jenny Lovis auf die schmale Sitzbank und lehnte die Tür an. Sie setzte sich zu ihm und wies ihn an, ihrem Beispiel zu folgen und die FüÃe hochzuziehen.
»Er dreht eine einzige Runde und schaut nur von unten, ob die Kabinen leer sind«, flüsterte Jenny. »Und die Putzfrauen kommen erst morgen früh.«
Lovis fragte sich, woher Jenny das wusste und ob sie dies schon öfter gemacht hatte und wenn ja mit wem. Es tat ihm weh, sie sich in dieser engen Kabine mit einem anderen Jungen vorzustellen.
»Ich weià das von der Koslowski bei uns aus der Siedlung«, erklärte Jenny. »Die putzt nämlich hier.«
Lovis lächelte, Jenny lächelte, und dann warteten sie. Ihre Zehen berührten sich auf der schmalen Bank. Die Luft war erfüllt von diesem typischen Geruch in Umkleidekabinen: ein Gemisch aus Sonnenöl, Kinderpisse und Chlor. In diesem Augenblick konnte Lovis sich keinen schöneren Duft vorstellen. Dieser Duft würde ihn ab jetzt in jeder Schwimmbad-Umkleide der Welt an Jenny erinnern. Er stellte sich vor, wie er als alter Mann â Jenny war vielleicht schon gestorben â in so eine Umkleide trat und sofort wieder an diesen ersten Schwimmbadtag mit Jenny denken musste. Dass Jenny vor ihm sterben könnte, versetzte ihm einen Stich ins Herz. In der Stille hörte er es heftiger klopfen, fast hätte es den tröpfelnden Wasserhahn von irgendwo auÃerhalb der Kabine übertönt.
»Psssst«, machte Jenny, als wenig später von drauÃen Schritte zu hören waren.
Die Schritte kamen näher und entfernten sich wieder. Eine Tür wurde geschlossen und verdunkelte den Raum. Sie warteten noch ein wenig, bis sie die steifen Knochen lockerten und sich zur Kabinentür vortasteten. Im Vorraum war es etwas heller, durch ein Fenster fiel milchiges Abendlicht in den Raum. Das Haupttor zur Umkleide war jetzt zugesperrt, aber das Fenster lieà sich öffnen. Lovis lugte vorsichtig hinaus. Niemand zu sehen. Es war kein Problem, nach drauÃen zu klettern.
Menschenleer wirkte das Schwimmbad ganz anders. Die Rutsche verwaist, das Wasser spiegelglatt und tintenblau, das Gras schon leicht feucht. Die Kiefern waren zu einem schwarzen Block vor dem dunklen Abendhimmel verschmolzen. Ein fremdes Reich, ein Traumland.
Nur für uns, das alles ist nur für uns, dachte Lovis, als er sich an den Beckenrand setzte und die FüÃe ins Wasser tauchte. So gerne wollte er noch mal ins Wasser, wollte die sanften, flieÃenden Bewegungen wieder spüren, mit denen sie sich berührt hatten. Merkwürdig. Als ob Wasser weniger trennte als Luft, als ob im Wasser alles leichter fiele.
»Na komm schon«, hörte er Jenny flüstern und sah erstaunt, dass neben ihm nur ein Häufchen Kleider lag und sie unbemerkt ins Wasser geglitten war. Ob sie nackt war? Egal, er würde jetzt einfach nackt ins Wasser steigen, so dämmrig wie es schon war.
Sie wartete auf der anderen Seite des Beckens auf ihn. Er hielt sich mit den Händen rechts und links von ihrem Kopf am Beckenrand fest und merkte, dass sie tatsächlich nackt war. Er fühlte ihre glatte, weiche Haut an der seinen und die harten Spitzen ihrer kleinen Brüste auf seiner Brust. Zwischen seinen Beinen baute sich eine Rakete zum Abschuss auf. Und jetzt? Küssen? Umarmen? Noch mehr? Unzählige Bilder aus Filmen sausten an ihm vorbei, halfen ihm aber nichts. Da griff plötzlich Jennys Hand nach seinem Kopf, zog ihn nah zu sich heran, und dann spürte er ihre Lippen auf seinen. Er
Weitere Kostenlose Bücher