8 Tage im Juni
keinen Ãrger mit der Polizei. Glaub mir, das ist Tonis Problem.«
»Aber warum sagt er das dann?«, jammerte sie. »Warum kommt er hierher und macht mir solche Angst damit? âºWenn Jenny das heute nicht erledigt, dann gibt es groÃe Problemeâ¹, das hat er gesagt.«
»Ich kläre das mit ihm, Mama. Mach dir keine Sorgen. Bist du eigentlich beim Jobcenter gewesen?«
Zu Jennys Ãberraschung nickte Jasmin.
»Sie haben einen Antragsstau, was das Geld aus dem Bildungspaket betrifft, weil in Mülheim dazu besonders viele Anträge gestellt werden«, erklärte sie. »Ich hab ihnen die Kopie gezeigt. Sie wollen das Geld heute noch überweisen.«
Dann war es spätestens übermorgen auf Jasmins Konto, rechnete Jenny aus. Zwei Tage, die sie Toni hinhalten musste. Das mit der Falschaussage konnte er vergessen. Alles wird gut, dachte sie und spürte wieder die Schmetterlinge im Bauch. Lovis! Schon in ein paar Stunden würde sie ihn wiedersehen.
â
Lovis hätte nicht sagen können, wie er am vorigen Abend nach Hause gekommen war. Seine FüÃe mussten den Weg selbstständig gefunden haben. Die Strecke vom Wiener Platz bis nach Hause war ein einziges schwarzes Loch. Sein Verstand hatte nicht mehr funktioniert. Ausgeknockt durch einen einzigen brutalen Schlag. Es folgte eine schlaflose Nacht. Irgendwann hatte er es im Bett nicht mehr ausgehalten und nun saà er, weià der Henker wie lange schon, am Küchentisch. Zum ersten Mal wünschte er, dass er Raucher wäre. Er stellte sich vor, seine Eingeweide mit Nikotin zuzudröhnen und sich in Rauchschwaden einzuhüllen.
Niemals hatte er gedacht, dass ihn jemand schlimmer verraten könnte als Larissa. Aber Jenny hatte es geschafft. Sie hatte ihn in zwei Sekunden vom höchsten Himmel in die finsterste Hölle gestoÃen. All die Fragen, die er bisher immer zur Seite geschoben hatte, drängten sich ihm jetzt auf. Warum war sie während des Ãberfalls so plötzlich verschwunden? Warum wich sie dem Thema im Gespräch aus? Warum behauptete sie, keinen der Täter gesehen zu haben? Und ob sie die Täter gesehen hatte! Sie kannte sie sogar. Einen zumindest. Der wohnte mit ihr in der Roten Burg, und er, Lovis, hätte schon viel früher darauf kommen können. Alles war ein abgekartetes Spiel. Sein müdes Hirn wehrte sich vergebens gegen das, was Nils gesagt hatte. Gangsterbraut. Man hatte sie auf ihn angesetzt, um herauszukriegen, was er über die Schläger wusste. Nur deshalb war sie mit zu ihm nach Hause gegangen. Nur deshalb hatte sie der Verabredung ins Waldschwimmbad zugestimmt. Der Schläger mit der Zahnlücke hatte am Wiener Platz auf sie gewartet, um zu hören, was sie zu berichten hatte. Der Abend im Wasser, die leidenschaftlichen Küsse. Alles fake! Sie war eine Verräterin.
Der Wecker in seinem Zimmer läutete. Sieben Uhr. Aufstehzeit. Eine Weile ignorierte er das nervige Klingeln, dann ging er in sein Zimmer und stellte den Wecker aus. Gleich würde Gustav in der Küche auftauchen. Er sollte ihn nicht so sehen. Lovis verschwand im Bad, duschte sich den Geruch der Umkleidekabine und den von Jenny vom Leib, fühlte sich danach aber kein bisschen besser.
»Hast du gestern noch die Ananas gegessen?«, rief Gustav aus der Küche.
Hatte er nicht. Also hatte Jenny doch geklaut. Eine Ananas? Wie blöd war das denn? Na ja, den groÃen LCD-Fernseher hätte sie schlecht unter dem Arm raustragen können.
»Wie warâs gestern in der Schule?«, fragte Gustav, als Lovis in die Küche kam und im Stehen schnell ein paar Cornflakes löffelte.
»Ganz gut«, murmelte er. »Muss mich beeilen. Nils wartet auf mich.«
Er hätte Gustav nicht in die Augen sehen können. Der kannte seinen Sohn gut genug, um sofort zu merken, dass Lovis komplett von der Rolle war.
Schule. Er ging tatsächlich hin. Vertrautes Terrain, gute Freunde, passable Klassenkameraden, keine Verräter. Ein paar Stunden nicht an Jenny denken. Aber er war so durch den Wind, er vergaà glatt, dass er eigentlich noch nicht sprechen wollte. Am Anfang haperte es nur bei den Vokalen, aber je mehr irritierte Blicke er erntete, desto mehr Konsonanten verhedderten sich ebenfalls.
Buchstabenchaos. Hirnchaos. Herzchaos.
»Kennst du den?«, fragte Konrad in der Pause. »Kommt ein Stotterer in die Kneipe und sagt: âºIch hätte gern ein B-B-B-Bier.â¹
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