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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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wütend anblaffte, er bellte zurück und hätte zugeschlagen, wenn sich der Radler nicht getrollt hätte. Er lief weiter, weiter, weiter. Die Küsse im Schwimmbad, er sah seine Arme um Jennys schmale Taille, ihren blassen Körper unter Wasser. Ihre grünen Augen, die ihn anblickten. Weg damit! Lug und Trug! Er musste aufhören, sich dieses Mädchen schönzureden. Was war das für eine, die ihn küsste und gleichzeitig vertraut war mit einem, der ihm die Fresse poliert hatte?
    Er lief und lief. Über die Brücke zum Hafen, immer weiter am Fluss entlang, bis es nicht mehr weiter ging. Drehen, zurücklaufen, am Lentpark vorbei, zurück ins Blumental, schweißgebadet eine Flasche Wasser trinken, unter die Dusche steigen, sich aufs Bett knallen, die Augen schließen, alles vergessen wollen. Unmöglich. Auch jetzt konnte er sich nicht gegen die Bilder wehren: Er wartet wieder am Friesenplatz auf die Bahn. Die drei kommen auf ihn zu. Er spürt die Gefahr. Wieso rennt er nicht davon? Wieso verpasst er den Moment, wo er das hätte tun können? Warum wehrt er sich nicht, als sie zuschlagen? Warum brüllt er nicht oder schimpft wie ein Rohrspatz? Weil er ein Weichei ist, ein Nerd, ein Loser. Weil er nichts auf die Reihe kriegt. Ein Stotterer ist er, ein Krüppel, ein Taugenichts. Nicht mal ins richtige Mädchen kann er sich verlieben. Alles macht er falsch.
    Lovis dreschte auf sein Kopfkissen ein, bis die Federn flogen, bis es ganz platt und genau wie er zu nichts mehr nutze war. Dann rollte er sich zusammen wie ein kleines Kind und heulte.
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    Enttäuschung schnürte ihr die Kehle zu und breitete sich wie ein Gift in ihrem Körper aus, zwickte und zwackte, zischte und brodelte, gluckerte und kochte und sammelte sich im Bauch zu einem ätzenden Brei, der die zarten Schmetterlinge zu harten schwarzen Klumpen vergärte. »Trau keinem Mann«, hörte sie Jasmins Stimme flüstern. »Es sind alles Lügner und Betrüger, die nur eines wollen.« Immer hatte ihre Mutter sie vor Männern gewarnt, weil sie selbst so schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht hatte, deshalb war Jenny bisher so vorsichtig gewesen. Bis Lovis kam. Bis gestern Nacht. Nein. Sie hatten nicht miteinander geschlafen, waren aber kurz davor gewesen. Vielleicht kauft er Kondome?, hatte sie vorhin am Tanzbrunnen gedacht, als sie noch sehnsüchtig auf Lovis gewartet hatte. Die Vorstellung, mit Lovis zu schlafen, hatte die Schmetterlinge in wilde Erregung versetzt. Ja, Jenny hätte es getan. Lovis war der erste Junge, bei dem sie das wirklich gewollt hatte.
    Jetzt zerrissen ihr die verklumpten Schmetterlinge fast den Bauch. Lovis, was für ein Reinfall! Verkohlt hatte er sie! Zieht diese heiße Schwimmbadnummer ab und hat dabei eine andere. So eine Edeltusse, so ein Silikongestell! Eine, die auch mit einem goldenen Löffel im Mund groß geworden war. Aber daneben nahm man noch mit, was sich so am Wegesrand fand. Warum nicht so eine Rothaarige aus der Roten Burg? Und dass die einem das Leben gerettet hatte, erhöhte vielleicht den Kick. Lovis! Was für ein Wichser! Was für eine Pissnelke! Keine Träne würde sie für so einen vergießen, schwor sie sich und strengte sich an, Schmerz und Enttäuschung in Wut zu verwandeln.
    Und die Wut reiste mit ihr über den Fluss, stieg mit ihr aus der Bahn, stolperte mit ihr den Schotterweg entlang, trieb sie an den Tartaren vorbei durchs Blaue Tor über den Innenhof hinauf in die Wohnung und entlud sich, als sie drinnen ins übliche Chaos trat.
    Â»Was ist das denn für eine Schweinerei?«, brüllte sie.
    Jasmin schoss sofort aus dem Wohnzimmer, aber anstatt Jenny einmal in den Arm zu nehmen, einmal zu merken, dass es ihrer Tochter beschissen ging, einmal zu zeigen, dass sie eine wirkliche Mutter war, jammerte sie sofort los.
    Â»Warum bestellst du diese Punker-Frau vom Amt und bist dann nicht da? Weißt du, was ich mir wieder anhören musste? Wieso lässt du zu, dass sich diese Frauke in unsere Familie einmischt? Sind wir nicht immer alleine klargekommen? Brauchen wir nicht unsere Ruhe? Was hat sie dir für Faxen in den Kopf gesetzt?«
    Jasmins Vorwürfe erreichten Jenny nicht, denn die Wut zischte und brodelte weiter. Jenny pfefferte der Mutter ihren Rucksack vor die Füße, schubste die Katzenbabys weg, schnauzte Rintintin an, stürmte in ihr Zimmer und knallte die Tür hinter sich

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