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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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In seinen Augen sah sie ein panisches Glitzern.
    Â»Ich kann dir keine Zeit geben. Ich hänge nicht allein in der Schlägerei drin und die beiden anderen machen mir Druck. Ich hab denen schon gesagt, dass du mich deckst. Und wenn ich jetzt sagen muss, dass du noch Zeit brauchst, dann drehen die am Rad. Dann werden die das selbst regeln wollen!«
    Â»Lass mich los, Toni, lass mich einfach los.«
    Aber Toni ließ nicht los. Er schüttelte sie durch wie einen nassen Sack und redete weiter auf sie ein. Dass sie ihm helfen müsse, dass er ohne sie verloren sei, dass er sie und ihre Familie beschützen könne, dass es doch nur eine Notlüge sei. Aber je mehr er sie schüttelte und auf sie einredete, desto weniger hörte sie zu und desto mehr drehte sich alles um sie herum, so als säße sie in einem Rollercoaster in der Endlosschleife.
    Â»Besser nach Hause gehen, Jenny«, hörte sie irgendwann Olegs Stimme sagen, und erst da bemerkte sie, dass er neben Toni getreten war und ihn durch sein Auftauchen gezwungen hatte, sie loszulassen.
    Sie taumelte zurück in die Rote Burg. Ein Wrack, ein Nichts, ein Niemand. Für alle Zeiten verloren.
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    Â»Ich mach was zu essen«, sagte Gustav, als er den Kopf in Lovis’ Zimmer steckte. »Eher Nudeln oder Reis?«
    Lovis antwortete nicht. Er lag immer noch auf seinem platt geprügelten Kopfkissen.
    Â»Ich habe im Wohnzimmer vor dem Fernseher gedeckt«, vermeldete Gustav eine halbe Stunde später.
    Sie aßen nie vor dem Fernseher. Nur wenn Lovis als Kind sehr krank war, hatte Gustav ihm auf dem Sofa ein Krankenbett gebaut, und Lovis durfte beim Essen fernsehen. Er musste einen erbärmlichen Eindruck machen, wenn sein Vater auf so alte Kinderheilmethoden zurückgriff.
    Als Lovis ins Wohnzimmer kam, hatte Gustav den Raum abgedunkelt und den Fernseher bereits angestellt. »Viva« lief, ein Sender, den Gustav nie guckte, von dem er aber wusste, dass Lovis ihn gern einschaltete. Auf dem Couchtisch dampften zwei große Teller mit Spaghetti Carbonara. Während sie schweigend ihre Nudeln löffelten, sang auf dem Bildschirm Tim Bendzko »Muss nur noch kurz die Welt retten«, und Lovis dachte: Was für ein Schwachsinn! Gleich die ganze Welt! Ich kann nicht mal mich selbst retten. Bevor er wieder in Selbstmitleid zerfloss, griff er zur Fernbedienung und zappte auf eine dieser CSI-Serien, die Gustav hasste wie die Pest. In denen ging es nie um Liebe, immer nur um Verbrechen.
    Aber Gustav beschwerte sich nicht, er seufzte nur und murmelte: »Liebeskummer.«
    Du lieber Himmel! Stand ihm das auf die Stirn geschrieben? Schnell, damit Gustav nicht sah, wie ertappt er sich fühlte, drehte Lovis die letzten Spaghetti auf die Gabel und schob sie in den Mund.
    Â»Ich weiß, was das ist. Als Larissa ging, hab ich gedacht, ich muss sterben. Ich hab mich so verraten gefühlt, als sie von einem auf den anderen Tag nicht mehr da war. Das hat mir echt den Boden unter den Füßen weggezogen. Und, wer weiß, wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich vielleicht nie mehr auf die Beine gekommen.«
    Lovis schaute sich im TV die rasante Bildfolge an, in der mal wieder mögliche Indizien ganz nah herumgezoomt wurden, aber er setzte die Bilder nicht zu einer Geschichte zusammen, weil er nämlich ganz Ohr für Gustav war. Sein Vater hatte mit ihm noch nie über seine Gefühle bei der Trennung gesprochen und Lovis’ eigene Gefühle schwankten dabei zwischen Rührung und Peinlich-berührt-sein.
    Â»Nichts verletzt so sehr wie verratene Liebe. Und ich war so verletzt, dass ich Larissa unrecht getan habe. Ich habe nicht sehen wollen, wie unglücklich sie in Deutschland war. Ich hab nicht sehen wollen, wie eingeengt sie sich fühlte, weil sie hier nicht so arbeiten konnte wie in Russland. Ich habe gedacht, dass unsere kleine Familie sie für all das entschädigt, aber dem war nicht so. Vielleicht hätten wir eine Chance gehabt, wenn ich das früher gesehen hätte! All die blöden Missverständnisse.«
    Gustav sprach direkt mit dem Fernseher, bemerkte Lovis, als er verstohlen zu seinem Vater hinüberlinste, und er erwartete keine Antwort, was Lovis sehr recht war. Auch er sah wieder auf den Bildschirm, auf dem es vor Maden, die unter einem Mikroskop vergrößert wurden, nur so wimmelte.
    Â»Missverständnisse«, fuhr Gustav fort. »Die kann man klären, wenn man nicht

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