Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
Vom Netzwerk:
durchtriebene Hund, hatte ihn genau am richtigen Zeh gekitzelt mit seinem Gespräch von »Mann zu Mann« und diesem Gesülze. »Ich vertrau dir!« »Du bist mein Partner!« Von wegen! Heute ließ er ihn Handys verstecken und morgen welche klauen. Und irgendwann würde Joe-Joe dabei erwischt werden und dann setzte sich die ganze Maschinerie des Versagens in Gang. Sozialstunden, Schule schwänzen, wieder Sozialstunden, kein Schulabschluss. Zum ersten Mal Bewährung, keine Ausbildungsstelle und so weiter. Irgendwann Knast oder Hartz IV. Das sollte nicht Joe-Joes Weg sein.
    Abhauen. Untertauchen.
    Jasmin. Wenn Jenny ganz ehrlich war, dann wusste sie schon lange, dass ihre Mutter wieder in die Klinik musste. Psychiatrie hin oder her, die Leute hatten ihr damals wirklich geholfen. Danach war es Jasmin wirklich eine ganze Zeit viel besser gegangen. Und wer weiß? Vielleicht hatte die Forschung ja seit Jasmins letztem Aufenthalt in der Klapse eine Wunderpille gegen Grundtraurigkeit und Lebensangst entwickelt? Eher nicht, fürchtete Jenny. Aber bestimmt gab es Medikamente oder Therapien, die Jasmin aus dieser dunklen Welt herausholten, in der sie sich immer mehr verkroch. Darüber musste sie mit Frauke reden. Die Kriegerin würde wissen, was zu tun war.
    Abhauen. Untertauchen.
    Genau das musste sie. Alles zurücklassen. Zur Ruhe kommen. Ausschlafen. Den Kopf durchpusten. Keine Angst haben. Sie musste aus der Roten Burg verschwinden. Es gab nur einen Ort, der ihr einfiel. Die Sieg, Oma Hilde und ihr Campingwagen. Karl musste sie wohl oder übel mit in Kauf nehmen. Morgen früh würde sie ein paar Sachen einpacken und mit Rintintin dorthin fahren. Und dann konnten sie sie alle mal gern haben! Toni und seine Schläger. Und Lovis. Dieser arrogante Pinkel sollte ihr eine Lehre sein, sich nie mehr mit einem Kerl einzulassen.
    Â»Love is just a four letter word.« Den Satz hatte einer auf die Hohenzollernbrücke gesprüht. Im Deutschen waren es fünf Buchstaben. Genau darauf musste man die Liebe zurechtstutzen. Auf ein paar Buchstaben. Ansonsten war die Liebe eine Zumutung und machte nur verletzlich. Schon ein einziger Abend im Schwimmbad riss riesige Wunden.

Samstag, 16. Juni
    Lovis hatte von Jenny geträumt. Im Traum trug sie den gepunkteten Bikini und sah zauberhaft aus. »Komm«, sagte sie zu ihm. »Wir gehen ein Stück zusammen. Die Liebe ist verrückt, der darf man sich nicht alleine hingeben.« Nur diesen einen Satz sagte sie. Mehr nicht. Abblende. Schwarzbild. Der Traum war zu Ende, ließ ihn mit diesen kryptischen Worten über die Liebe zurück.
    Träume sind Schäume, sagte er sich. Nur weil er diesem Traum nicht traute, nur weil er ihn für eine weitere hinterlistige Täuschung hielt, ging er an diesem Morgen zum Schulfest.
    Es herrschte die übliche Vorbereitungshektik. Tische und Bänke wurden in den Schulhof geräumt, Getränke und Fressalien herangerollt. Er hatte sich für die erste Stunde am Getränkestand eintragen lassen, weil er hoffte, dass sich zwischen zehn und elf der Durst der Besucher noch in Grenzen hielt. Vor seinem »Dienstantritt« brachte er die Gitarre nach drinnen und wollte nach dem Probeplan sehen. Wenn Vera das Stück unbedingt singen wollte, sollte es an seiner Begleitung nicht scheitern. Das war keine großzügige oder gutmütige Entscheidung, eher eine feige. Er hatte keinen Bock auf Veras Vorwürfe. Darauf, dass sie ihn nächste Woche in der Klasse als einen vorführen würde, auf den man sich nicht verlassen konnte. Wo sie doch immer für ihn da war. Wo sie doch mit seinem Stottern keinerlei Probleme hatte … Kurzum: Er fühlte sich so angeschlagen, dass er jede weitere Verletzung unbedingt vermeiden wollte.
    Â»Morgen, Lovis. Alles easy?«, begrüßte ihn Nils, der für die Technik zuständig war, in der Aula. »Wir machen gleich den ersten Check mit Vera und dir. Geh schon mal rauf auf die Bühne. Vera ist schon da.«
    Lovis nickte und stieg die schmale Stufe zur Bühne hinauf, kämpfte sich im Backstage-Bereich durch Kulissenstücke und Kabelwirrwarr. Als er auf die Bühne trat, fand er Vera bei der Mikrofonprobe.
    Â»Ich hoffe, du hast noch ein paar Mal geübt«, schallte es durch die ganze Aula und Lovis hätte sich am liebsten umgedreht und wäre gegangen. Stattdessen ließ er von Konrad, der auch zum Technikteam gehörte,

Weitere Kostenlose Bücher