80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
ihm gewachsen war und ich ihm ein für alle Mal klarmachen konnte, dass wir nur Freunde waren und eben genau das bleiben sollten.
Schließlich drückte ich doch auf den Knopf. Wenn es nun etwas Wichtiges war, wie etwa ein Paket für Dominik?
»Hallo?«
»Mach auf, Summer.«
Eine Stimme, die ich sofort erkannte und die mir durch Mark und Bein fuhr.
Victor.
Ich ließ ihn herauf.
»Woher weißt du, wo ich wohne?«
»Also bitte, unterschätz mich nicht, meine Liebe.«
»Wir haben einander nichts zu sagen, Victor.«
Sein schmallippiges Lächeln war so undurchschaubar wie immer. Er war sehr förmlich gekleidet, mit grauem Anzug, Hemd und Krawatte, und wirkte eher, als wollte er ein Geschäft abschließen, und nicht wie jemand, der seine frühere Geliebte besuchte. Seine schwarzen Schuhe waren auf Hochglanz poliert.
»Oh, ich glaube schon …«
Er setzte einen Fuß über die Schwelle, kam einfach in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich, als ob er hier zu Hause wäre. Ich zog mich zum Sofa zurück, und er folgte mir, zielstrebig und schweigend. Sein schmaler Bart war wie gewohnt exakt mit dem Rasiermesser getrimmt.
»Wir sind noch nicht fertig miteinander«, sagte Victor leise.
»Ich bin raus aus dem Spiel. Ich habe meine Meinung geändert. Damit will ich nichts mehr zu tun haben«, protestierte ich.
»Du bist ein kleiner Star geworden, wie man so hört? Reist durch die Welt mit deiner Fiedel …«
»Das ist keine Fiedel, sondern eine Geige«, erwiderte ich. Sogleich aber biss ich mir auf die Zunge. Dass ich mich aber auch so leicht von ihm provozieren ließ!
»Ganz wie du willst.«
Als sein Blick schamlos über mich glitt, wurde mir bewusst, dass ich nichts am Leib trug als ein Hemd von Dominik, das ich auch nur halb zugeknöpft hatte und das mir gerade bis zu den Oberschenkeln reichte. Ich hatte es nach der Dusche rasch übergestreift und es über der Lektüre ganz vergessen. Als dann Victor vor der Tür stand, war ich so erschrocken gewesen, dass ich ganz vergessen hatte, etwas weniger Offenherziges anzuziehen. Jetzt daran herumzuzupfen, machte auch keinen großen Unterschied mehr.
»Einmal Schlampe, immer Schlampe«, sagte er.
Ich schaute an mir herunter. Wie ich da mit hochgezogenen Knien auf der Kante des orangefarbenen Sofas saß, bot ich ihm alles dar. Verdammt.
»Ich finde es besser, wenn du rasiert bist.«
»Das geht dich einen Scheißdreck an. Begreifst du das endlich?«
»Wer will mir da was von ›begreifen‹ erzählen?«
»Was soll das heißen?«
»Eine Frau, die sich selbst belügt. Die sich weigert zu akzeptieren, was sie ist. Du kämpfst gegen deine Natur an, Summer. Sag mir, bist du glücklich? Jetzt, in diesem Augenblick?«
Diese Frage erwischte mich kalt.
Natürlich war ich nicht glücklich, ganz und gar nicht. Ich war durcheinander, innerlich zerrissen. Aber das hatte mit Dominik zu tun und mit der Frage, wie er und ich miteinander klarkommen und wie wir unser Leben in den Griff bekommen konnten, und nicht mit Victor und seinen perversen Partys.
»Willst du mir gar nichts zu trinken anbieten? Es muss ja kein Kaffee sein – ein Glas Wasser tut es auch.«
»Nein.«
Für diesen Kerl wollte ich gar nichts mehr tun, ihm nicht mal ein Glas Wasser geben.
»Auch gut.«
Er stand am Rand der Küchenzeile. Ich hätte mich nicht hinsetzen sollen, denn nun überragte er mich auch noch, trotz seiner geringen Größe. Als er einen Schritt auf mich zutrat, zischte ich ihn an: »Komm ja nicht näher und rühr mich nicht an! Ich schwöre dir, ich schreie.«
»Mach kein Theater. Erstens ist hier niemand, der dich hört. Diese alten Häuser haben dicke Wände, die Fenster sind geschlossen und gehen sowieso nur auf Dächer hinaus. Zweitens, glaubst du etwa, ich hätte irgendwelche Ambitionen, dich noch einmal zu ficken? Ganz bestimmt nicht. Du bist mir viel zu passiv.«
Ich errötete. So etwas hatte noch kein Mann zu mir gesagt. Der Typ war ein Schwein, und trotzdem, so albern es mir vorkam, ich fühlte mich getroffen.
»Was willst du dann überhaupt?«, fragte ich schließlich.
»Da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Deine Ausbildung beenden. Dich verwandeln, meine Liebe. Du hast so viel Potenzial, es wäre eine Schande, das zu vergeuden.«
»Ich will nicht der Besitz von irgendjemand sein.«
»Das habe ich gemerkt. Ich habe mich geirrt, als ich annahm, das wäre dein Ziel, aber es gibt da noch andere Mittel …« Dabei lachte er so falsch und so verächtlich, dass ich am
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