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80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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ersten Abstecher in die Kinky-Szene gemacht hatte. Ich hatte an dem Abend als Dienstmädchen verkleidet serviert, um herauszufinden, wie ich mich in einer devoten Rolle fühlte, wenn ich die Befehle anderer Leute – und nicht Dominiks – ausführte.
    Dieses Fest hatte mir darüber allerdings keinen weiteren Aufschluss verschafft, denn da Dominik das Outfit und jenes Glöckchen beigesteuert hatte, mit dem mich die Gäste riefen, wenn sie einen Nachschlag vom Dessert oder ihre Gläser vollgeschenkt haben wollten, hatte ich den Eindruck, als kämen die Anweisungen von ihm und nicht von den Partybesuchern.
    Ich vermisste ihn schrecklich, mehr, als ich erwartet hatte, und mehr, als ich ihm gegenüber je zugeben würde. Seit seiner Abreise beschränkte sich unsere Kommunikation auf sporadische kurze Mitteilungen. Wenn ich seine Stimme hörte, wurde meine Sehnsucht übermächtig, sodass ich die meiste Zeit den Anrufbeantworter eingeschaltet hatte und nicht ans Telefon ging, um nicht persönlich mit ihm sprechen zu müssen.
    Dominik hatte mir nicht befohlen, bei dem Konzert am heutigen Nachmittag das Korsett unter dem Kleid zu tragen. Ich hatte es aus eigenem Antrieb angezogen, um wieder einmal zu spüren, dass ich mich unterwarf, ein Gefühl, das ich schmerzlich vermisste.
    Außerdem versuchte ich, die starken Emotionen, die seit seiner Abreise in mir tobten, auf die bestmögliche Weise zu nutzen: Ich legte all meine Energie in die Musik und machte die Geige zu einer Art Blitzableiter für meine Trauer und Unzufriedenheit. Doch das konnte die Einsamkeit natürlich nicht völlig bannen, und immer wieder kehrten meine Gedanken zu den Szenarien zurück, die Dominik für mich in London ersonnen hatte, und zu all den Dingen, die er in meinen Fantasien mit mir anstellen sollte. Dass meine Gefühle so intensiv waren, ärgerte mich, machte mich unansprechbar und immer gereizter.
    Ich hatte versucht, Charlotte per E-Mail um Rat zu fragen, aber entweder war sie auf mysteriöse Weise verschwunden, oder sie ignorierte mich. Chris hatte seine Kurztournee mit der Band in den USA beendet und war nach London zurückgekehrt. Er plante nicht, in absehbarer Zeit wieder nach New York zu kommen, und da er Dominik nicht leiden konnte, hatte ich mich ihm auch nicht anvertraut. Wenn ich mit alten Freunden aus Neuseeland skypte, hörte ich stets, dass sie sich mittlerweile mit einem festen Bürojob und langjährigen Partnern häuslich niedergelassen hatten. Mein Leben mit Dominik und mit dem Orchester in New York war so anders, dass ich keine echte Gesprächsebene mehr mit ihnen fand.
    Was mein Privatleben anging, hing ich also ein bisschen durch. Aber zumindest wurden meine musikalischen Anstrengungen gewürdigt.
    Der venezolanische Gastdirigent Simón, mit dem das Ensemble in der vergangenen Saison gearbeitet hatte, hatte bei unserem Orchester eine feste Anstellung bekommen. Er schien große Stücke auf mich zu halten, denn immer wieder zwinkerte er mir über das Dirigentenpult hinweg zu oder starrte versonnen in meine Richtung, was wohl eine subtile Anerkennung für mein Spiel bedeutete. Zum ersten Mal war es mir aufgefallen, als wir mit den Proben für die Thanksgiving-Konzerte begannen. Vielleicht spielte ich besonders gut, weil ich eine geistige Nähe zum Stil der Amerikaner empfand, diesem Klang ferner Orte, mit den unendlichen Variationen der kulturellen Herkunft der Komponisten, die voller Optimismus hierher ausgewandert waren, um ein neues Leben zu beginnen. Auf ihrem Weg hatten sie die Rhythmen der ihnen unbekannten Städte aufgesaugt und Jazz- und Folkelemente mit alten europäischen Weisen verschmolzen.
    Unserem alten Dirigenten trauerte ich nicht nach. Er hatte einen akademischen Ansatz gehabt, dem die feine Nuancierung fehlte. Unter seinem Taktstock hatten die Streicher ein bisschen hölzern geklungen. Simón war jünger, und seine Methoden bedeuteten eine radikale Abkehr von allem, was wir kannten. Die Gespräche unter den Orchestermusikern handelten von kaum etwas anderem.
    Mit seinem Bohemien-Look wäre er auch als Leadgitarrist einer Rockband durchgegangen, zumindest wenn er in Jeans und weitem T-Shirt zu den Proben kam. Und er sprühte von Kopf bis Fuß vor Lebendigkeit, von der dichten dunklen Lockenmähne, die bei den stürmischeren seiner Bewegungen wild hin und her wogte, bis zu seinem Schuhwerk, das mit bequemen Converse-Tretern sowie auch spitzen, auf Hochglanz polierten Schlangenlederstiefeln eine ungeheure Bandbreite

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