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80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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afghanischen Buddha-Kopf aus dem 5. Jahrhundert studierte und hoffte, etwas von der Gelassenheit aufzusaugen, die das steinerne Gesicht mit den langen hängenden Ohren und den weit auseinanderstehenden schläfrigen Augen ausstrahlte. Ich betrachtete die symmetrischen Augenbrauen, die in die kantige Nase übergingen, und darunter die geschwungenen prallen Lippen des sinnlichen Munds, die der Göttergestalt einen menschlichen Touch gaben.
    Ich dachte an die vergangene Nacht mit Derek, an das letzte Wochenende an der Seite von Dominik, an die Wochen davor mit Victor und an jenen Abend in London, als ich allein in den Fetischclub gegangen war und es genossen hatte, mir von einem Fremden ein Spanking verpassen zu lassen. All die Dinge, die die halbe Welt mit Sicherheit für abartig hielt, törnten mich ungeheuer an, während mich eine Nacht mit jemandem wie Derek, einem netten Kerl und in gesellschaftlicher Hinsicht ein guter Fang, völlig kaltließ.
    Lief es darauf hinaus? Musste ich gefesselt oder überrascht oder herumkommandiert werden, um Sex genießen zu können? Wollte ich Dominik wirklich als den, der er war, oder genoss ich lediglich die Empfindungen, die er beim Vögeln in mir auslöste?
    Statt mit der stickigen U-Bahn zu fahren, entschied ich mich für den langen Fußweg nach Hause. Doch die Klänge und der Anblick dieser Stadt, die mir gestern noch so großartig und aufregend erschien, sagten mir heute, dass ich in diesem starren Raster aus wie mit dem Lineal gezogenen geraden Straßen und rechtwinkligen Häuserblöcken eingekesselt und gefangen war. Um mich herum erhoben sich monolithische Glas- und Betonbauten wie Wachtürme, und der winzige Ausschnitt des blauen Himmels oben zwischen den Gebäuden war nur ein ferner Schimmer, der drohend wie das Fallbeil einer Guillotine über mir schwebte.
    Mir fehlte London mit seinen unterirdischen Zufluchtsorten, den engen, gewundenen Straßen und dunklen Gassen, den gepflasterten Sträßchen mit altmodischen Namen wie Cock oder Clitterhouse Lane, die an eine Zeit erinnerten, als an all diesen Ecken noch Zügellosigkeit herrschte, als Kurtisanen mit gerüschten Unterröcken, schlüpfrige Dirnen und Politiker mit exotischen Neigungen, Lords und Ladys der Nacht sich in Bordellen tummelten und ausgelassen danach lechzten, auch noch die ausgefallensten Gelüste zu stillen.
    Seither waren puritanischere Zeiten angebrochen, und einige ordinäre Straßennamen waren geändert worden, um der Moral von heute zu entsprechen. Dennoch war London eine Stadt geblieben, in deren Straßen das Verlangen schwelte. Wenn Steine sprechen könnten, dachte ich, würden sie jedes Mal aufjuchzen, sobald Verderbtheit sie streifte. London war auf meiner Seite.
    In New York hingegen fühlte ich mich heute wie in Gesellschaft einer missbilligenden großen Schwester.
    An diesem Abend kam ich ein paar Minuten zu spät zur Probe, und Simón schaute mich prüfend an, als ich auf meinen Stuhl glitt. Dann spielte ich mechanisch, wie auf Autopilot gestellt, und ohne meine sonstige Bravour. Ich hoffte, dass nicht zu offensichtlich wurde, wie abgelenkt ich war und wie starr meine Hand den Bogen führte.
    Als ich mich schlafen legte, war mir das Herz schwer.
    Um drei Uhr morgens wachte ich auf – die Stunde, in der Sorgen am schwersten lasten. Ich schrieb Dominik eine SMS :
    Du fehlst mir.
    Schuldbewusst schlief ich wieder ein, denn ich war mir nicht sicher, ob das wirklich stimmte.
    Am nächsten Tag beschloss ich, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und mich in New York nach einer Kinky-Szene umzusehen. So etwas musste es in jeder Stadt geben, dachte ich, und schob meine gestrige depressive Verstimmtheit beiseite. Durch meine Abenteuer in London wusste ich, dass auch andere Menschen auf dieser Welt dachten und fühlten wie ich. Ich musste sie nur finden.
    Eine rasche Google-Suche war nicht sehr ergiebig. Vielleicht stellte sich die Lage für Fetischisten hier etwas schwieriger dar. Ich hatte gehört, dass die Polizei mancherorts Nacktheit und einvernehmliche Gewalt streng ahndete. Oder entsprach es einfach eher dem Stil der New Yorker, dass man seinen Neigungen in aller Diskretion nachging und man jemanden kennen musste, um zu erfahren, wo die Szene sich traf? Zwar inserierten ein paar Locations verschiedene Events – Varieté-Abende, eine Party für Fußfetischisten, einen Spanking-Treff für Männer –, doch nichts davon war das, was ich suchte.
    Schließlich entdeckte ich einen Einführungskurs in

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