80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Publikum applaudierte frenetisch, als sie sich aus ihrem Kleid schälte, ihre schweren Brüste schwang und ihre Nippeltroddel wie Windmühlenflügel kreisen ließ. Am Ende ihrer Darbietung lag sie auf dem Rücken, hatte die Beine über den Kopf gestreckt und zeigte dem Publikum, dass sie sich auch selbst lecken könnte, wenn sie nur wollte.
»Alle Achtung«, sagte ich, als sie wieder zu unserem Tisch zurückkam. »Das war ziemlich beeindruckend. Jetzt verstehe ich, warum du zwei Freunde hast.«
Sie kicherte. »Komm doch mal bei mir vorbei. Dann zeige ich dir ein paar Kniffe.«
Sie trug noch den grellen pinkfarbenen Lippenstift, dessen Effekt sie mit einer dicken Schicht Glitter und Gloss verstärkt hatte.
Ich begleitete sie zur U-Bahn. »Ach, jetzt hätte ich es beinahe vergessen«, sagte sie und kramte eine halbe Ewigkeit in ihrer riesigen Handtasche. »Ein Geschenk.«
»Ich habe aber gar nicht Geburtstag.«
Sie zog ein ungefähr ein Meter fünfzig langes Seil hervor und überreichte es mir. »Zum Üben. Aber leg dir eine Schere bereit, wenn du dich damit an ein Tischbein bindest. Oder zieh die Knoten nicht so fest, damit du dich schnell befreien kannst, falls das Haus Feuer fängt. Wäre doch peinlich, wenn man es der Feuerwehr erklären müsste.«
»Danke«, sagte ich und stopfte das Seil in meine Handtasche. »Aber eigentlich fessele ich nicht gerne. Ich möchte lieber gefesselt werden.«
»Du solltest es aber trotzdem lernen. Dann weißt du besser zu schätzen, wie viel Arbeit dahintersteckt, jemanden richtig gut zu fesseln.«
Als ich zu Hause einen Blick in den Spiegel warf, stellte ich fest, dass ich etwas Glitter auf der Wange hatte, obwohl ich mich nicht erinnerte, sie zum Abschied geküsst zu haben.
Der Rest der Woche verging wie im Flug. Meine Tage bestanden aus Üben, Essen und Schlafen. Von Dominik hatte ich noch keinen Ton gehört.
»Du siehst müde aus«, sagte Simón, als ich ihm den Schal zurückgab.
»Danke«, antwortete ich schroff.
»Du solltest dich etwas mehr entspannen. Als ich hier angefangen habe, hast du mit dem ganzen Körper gespielt. Jetzt spielst du hauptsächlich mit dem Kopf. Du musst wieder mehr loslassen. Wann bist du das letzte Mal rausgekommen, außer zu den Proben?«
»Letzte Woche. Ich war in einer Burlesque-Show.«
»Das ist zu wenig. Du kannst nicht die Welt in deiner Musik einfangen, wenn du nicht rausgehst und dir die Welt ansiehst.«
Ich war zu erschöpft, um ihm zu widersprechen. Also nickte ich nur, nahm meinen Geigenkasten und wandte mich zum Gehen.
»Ich habe zwei Karten fürs Bullenreiten im Madison Square Garden am Freitag. Willst du nicht mitkommen? Eigentlich wollte ich es mir mit meinem Vater ansehen, aber jetzt hat er seinen Besuch verschoben, und ich habe noch eine Karte übrig.«
»Zum Bullenreiten?« Das hätte ich nicht erwartet.
»Schau mich nicht so an. Das ist kein Stierkampf. Zwar nicht ganz von dem Kaliber, wie wir das in Venezuela machen, aber besser kriegt man es in Manhattan nicht. Es fängt um vier Uhr an. Hinterher führe ich dich zum Essen aus, um dich zu belohnen, dass ich dich mit zwei Stunden Sport gequält habe.«
Ich lachte. »Also gut. Klingt nach einer Menge Spaß.«
Als ich nach Hause kam, kuschelten Marija und Baldo auf der Couch und sahen sich einen alten Horrorfilm an. Marija hielt sich die Hand vor die Augen und spähte alle paar Sekunden zwischen den Fingern hindurch, um dann laut aufzukreischen. Baldo hatte einen Arm um sie gelegt. Mit der anderen Hand dippte er Reiskräcker in einen fettarmen Hüttenkäse und schnitt kauend Grimassen.
»Habt ihr schon mal davon gehört, dass es hier in Manhattan Bullenreiten gibt?«
»Du hast Karten für Freitag bekommen?«, fragte Baldo. »Schwein gehabt. Das ist seit Monaten ausverkauft.«
»Oha«, rief Marija und nahm die Hand vom Gesicht. »Ein Date mit Simón?«
»Es ist kein Date!«
»Wie du willst«, entgegnete sie und schaute wieder auf den Bildschirm. Aber sogleich schmiegte sie sich wieder ängstlich an Baldo, weil dort eine Frau einen spitzen Schrei ausstieß.
Der Freitag kam so schnell, dass mir keine Zeit blieb, nervös zu werden bei der Aussicht, einen ganzen Nachmittag und Abend mit Simon zu verbringen. Jedes Mal, wenn ich ihn ansah, fürchtete ich, er könnte meine Gedanken lesen und erraten, dass ich erst vor einigen Tagen an seinem Schal gerochen und dabei masturbiert hatte.
Ich war bisher nur ein einziges Mal bei einer Sportveranstaltung gewesen, und zwar
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