80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Tournee beendet hat? Mein Stipendium läuft kurz danach aus, und ich muss mich entscheiden, ob ich in New York bleibe oder wieder nach London gehe. Ich könnte sie bitten, mit mir zu kommen. Als Solistin kann sie doch überall leben, oder?«
»Vermutlich ja.«
»Ich könnte es ihr natürlich befehlen und darauf beharren, dass sie mich nach London begleitet. Aber ich habe höllische Angst, dass sie Nein sagt. Das könnte dann das Aus für alles sein, was uns verbindet.«
»Warum tust du es nicht trotzdem?«, fragte Lauralynn.
»Ich wünschte, ich könnte es. Aber irgendwie kommt es mir vor, als würde ich sie noch nicht gut genug verstehen.«
»Wie meinst du das?«
»Verstehen, was sie fühlt, warum sie es fühlt …«
Lauralynn saß an einem Ende der langen orangefarbenen Couch in seinem Loft, Dominik, das aufgeklappte Laptop auf den Knien, am anderen. Der Wikipedia-Eintrag über Modern Jazz erinnerte ihn an das Hier und Jetzt. Er hatte sich für seinen Roman über die schwarzen Musiker kundig gemacht, die auf der Rive Gauche im Paris der frühen Fünfzigerjahre aufgetreten waren. Seine Heldin Elena, so hatte er überlegt, sollte mit einem von ihnen schlafen, doch mittlerweile fürchtete Dominik, dass eine Begegnung zwischen Schwarz und Weiß so früh in seinem Buch Rassisten auf den Plan rufen könnte, falls es ihm nicht gelingen sollte, die Szene mit dem nötigen Feingefühl zu schildern.
»Warst du schon einmal Sub?«, erkundigte sich Lauralynn.
Ihre Frage verdutzte ihn.
»Nein. Niemals. So bin ich nicht gestrickt. Das solltest du doch eigentlich wissen.« Und er dachte an Kathryn, die vor vielen Jahren intuitiv die in ihm verborgene dominante Ader freigelegt hatte. Sie hatte ihm mit ihrem Blick eine Ergebenheit gezeigt, die nicht nur das Sexuelle umfasste, sondern auch die völlige Hingabe von Körper und Geist bedeutete. Dann Claudia, die ihn ermuntert hatte, die Grenzen seiner dominanten Natur auszuloten und zu überschreiten, und die keine Miene verzog, als er ihr seine dunkle Seite enthüllte. Und Summer …
»Manchmal«, fuhr Lauralynn fort und meinte es wohl nicht ganz so beiläufig, wie es klang, da wieder der Funke der Durchtriebenheit in ihren blassblauen Augen blitzte, »muss man etwas selbst erlebt haben, um es richtig verstehen zu können.«
»Und das heißt?«
»Das Gefühl, eine Frau zu besitzen, sie zu kontrollieren, sie in der Hand zu haben auf Leben und Tod, kennst du ja bereits, nicht wahr?«
»Ja, obwohl du es übertrieben darstellst …«
»Aber weißt du auch, wie man sich fühlt, wenn man besessen, benutzt, gefickt wird?«
»Das würde ich gern erfahren, aber ich bin nicht schwul. Es ist mir durchaus schon in den Sinn gekommen, aber die Vorstellung, von einem Mann genommen zu werden, ist für mich nicht erregend, mein Geschlecht zieht mich nicht an. Glaub mir, das ist kein Vorurteil, sondern einfach nur Geschmackssache, wie mit dem Alkohol, den ich nicht mag.«
»Sei nicht voreilig.« Lauralynn lächelte. »Gevögelt zu werden, hat seine ganz eigenen Reize. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn es gut gemacht wird. Ich habe es ausprobiert. Auch wenn ich Frauen bevorzugen mag, ich habe ein Vorleben, weißt du? Ich war nicht immer so.«
Dominik fiel wieder ein, dass ihm Summer, während sie einmal wild miteinander gevögelt hatten, ohne Vorankündigung den Finger hineingeschoben hatte. Das Gefühl war so überwältigend gewesen, dass er, halb seiner Sinne beraubt, mit ungewohnter Heftigkeit gekommen war. Hatte das an dem Überraschungsmoment gelegen, fragte er sich jetzt, oder war es lediglich Ausdruck seiner Freude gewesen, dass sie so kühn und hemmungslos war?
Lauralynn, die ihn beobachtete, grinste. »Offenbar habe ich dich nachdenklich gemacht.«
Dominik überlegte. »Stimmt«, gab er dann zu. »Ich bin dort außerordentlich empfindsam. Vielleicht wäre ein Penis eine interessante Erfahrung, aber nur, wenn das Ganze unpersönlich bleibt. Ein gesichtsloser Mann, ein Schwanz ohne Körper, was auch immer.« Jetzt lächelte er. »Nur um zu wissen, was für ein Gefühl es ist.« Er suchte nach den richtigen Worten, um sich verständlich zu machen.
»Oh, ich glaube, da kann ich dir was Besseres bieten. Aber dazu musst du mir vertrauen und darfst keine Vorbehalte haben. Mit Überraschungseffekt ist der Spaß viel größer. Du kannst ›Stopp‹ als Safeword benutzen, wenn du eines brauchst.« Lauralynn befeuchtete sich die Lippen und strich sich anmutig die Haare aus der
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