80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Stirn, wie er es schon häufiger bei ihr gesehen hatte, wenn sie erregt war.
Dominik sah sie fragend an. »Klingt rätselhaft, aber ich glaube, darauf könnte ich mich einlassen.«
»Warum steigst du dann nicht am nächsten Wochenende in den Zug nach New Haven?«, schlug sie vor. Später am Abend wollte sie dorthin zurückfahren.
»Am Sonntagmorgen habe ich Probe, aber nimm doch den um halb zwei, dann bist du nachmittags da. Ach, und pack was zum Übernachten ein«, fügte sie hinzu. »Es wird eine interessante Erfahrung werden.«
»Ist das ein Versprechen oder eine Drohung?«
Lauralynn holte ihn am Bahnhof ab. Außer ihm stiegen nur fünf, sechs andere Fahrgäste aus, und so erschien ihm der Ort wie eine Geisterstadt. Vom Bahnsteig aus konnte man direkt zum Parkplatz gehen, wo in der Hoffnung auf einen Kunden ein einsames Taxi wartete. Sie führte ihn an einer Reihe von Pick-ups, Jeeps und Geländewagen in allen möglichen Größen und Farben vorbei zu einer in Elfenbein und Schwarz lackierten chromblitzenden Kawasaki und reichte ihm den zweiten Motorradhelm.
»Ist das deine?«, fragte Dominik.
»Mein ganzer Stolz und meine Freude«, erwiderte sie, fasste ihr langes Haar und schob es unter den Helm, damit die ungebändigten Strähnen nicht vom Fahrtwind gezaust wurden. Mit ihrer schwarzen Jeans, der blauen ledernen Motorradjacke und ihren Cowboystiefeln wirkte sie in dieser Vorstadteinöde New Havens wie eine Amazonenkönigin.
Lauralynn steckte voller Überraschungen. Wenn sich Dominik allerdings ausmalte, was sie für den Nachmittag vorbereitet haben mochte – diese Überraschung nur für ihn –, wurde ihm mulmig zumute.
In einem kleinen Café am Fluss machten sie halt, um einen Happen zu essen. Lauralynn hatte einen ungeheuren Appetit und verzehrte doppelt so viel wie Dominik, der den Großteil seines riesigen Schinkensandwichs liegen ließ und kaum hungrig genug war, um den üppigen Beilagensalat zu verspeisen.
Anschließend kehrten sie zu der PS -starken Kawasaki zurück, und Dominik klammerte sich um Lauralynns Taille, als sie in einer zehnminütigen donnernden Fahrt aus dem verschlafenen Ort in den Wald fuhren. Plötzlich bog Lauralynn scharf nach links in einen halb zugewucherten Weg ein, und kurze Zeit später kam die Maschine quietschend zum Stehen. Sie befanden sich vor einem weitläufigen Architektenhaus im Kolonialstil neben einem stillen Bach.
»Ich bin nur die Mieterin des Ateliers hinter dem Haus«, erklärte Lauralynn, als sie sich aus ihren Helmen kämpften. »Es hat einen eigenen Eingang. Allerdings sind die Besitzer gerade nach Indien gefahren, deshalb habe ich das Ganze zu meiner freien Verfügung.«
»Sieht romantisch aus«, bemerkte Dominik. »Und ziemlich abgeschieden.«
»Wohl wahr.«
Sie schloss die Tür zum Atelier auf, und sie traten in einen riesigen runden Raum mit einer hohen Decke und Dachfenstern, durch die das Licht in den Raum flutete. Als Arbeitsplatz für einen Maler oder einen anderen bildenden oder schreibenden Künstler schien es Dominik recht inspirierend zu sein, er fragte sich allerdings, wie es um die Akustik bestellt war. In einem Bereich des Raums hatte sich Lauralynn häuslich eingerichtet: mehrere Stühle, ein Futon, ein langes Metallgestell für ihre Garderobe, den Cellokasten auf dem Parkett und ein paar offenstehende Koffer. Wie er schon vermutet hatte, lebte sie offenbar ständig auf dem Sprung, bereit, in kürzester Zeit ihre Zelte abzubrechen.
Sie trat hinter ihn, tippte ihm auf die Schulter und flüsterte ihm verführerisch ins Ohr: »Es ist Zeit, Dominik. Schließ die Augen!«
Er gehorchte.
Einen Moment lang geschah gar nichts. Er hörte, dass sie herumwerkte, um Gott weiß was auf die Beine zu stellen.
Dann spürte er, dass ihm eine elastische Augenbinde über den Schopf gezogen und ihm schließlich über die Augen geschoben wurde. Als er sie aufschlug, umhüllte ihn tiefste Dunkelheit.
Er musste grinsen, denn er erinnerte sich daran, dass er den Musikern in der Krypta die Anweisung gegeben hatte, Augenbinden anzulegen. Wollte sich Lauralynn an ihm rächen und es ihm mit gleicher Münze heimzahlen?
»Zieh dich aus!«
Wieder folgte er ihr aufs Wort. Sie hatte ihn an jenem Abend mit Miranda bereits ohne Kleider gesehen, daher war sein nackter Anblick nichts Neues für sie. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, kurz den Bauch einzuziehen. Reiner Reflex.
»Knie dich hin.«
An dem Geräusch ihrer Schritte neben sich erkannte er, dass sie
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