80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
Leute doch denken, was sie wollen …«
»Sind Sie … noch immer in Kontakt mit der Gruppe? Und den Frauen?«, fragte Dominik.
»Nein, im Lauf der Zeit hat es sie in alle Winde verstreut. Tja, ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber Miss Zahova wäre eine wunderbare Bereicherung bei unseren Partys gewesen. Haben Sie nie daran gedacht, sie mitzubringen? Ich fand schon immer, dass Musikerinnen die besten Subs abgeben. Logisch erklären kann ich das nicht, es ist einfach nur ein Bauchgefühl und …«
»Damals habe ich sie noch gar nicht gekannt«, unterbrach ihn Dominik.
»Wie schade.«
»Nun«, beeilte sich Dominik, das Thema zu wechseln, »erzählen Sie mir von der Angélique.«
Paul Bailly, der 1844 geboren wurde, war ein reiselustiger Bursche. Das Handwerk des Geigenbaus erlernte er in seiner lothringischen Heimatstadt Mirecourt und später in Paris in den Werkstätten des berühmten Geigenbaumeisters Jean-Baptiste Vuillaume und des legendären Jules Galliard.
Bailly war von rastlosem und romantischem Naturell, und dementsprechend turbulent war sein Liebesleben. Er zog kreuz und quer durch Frankreich und ging später auch nach England, nachdem er sich in Paris Hals über Kopf in die junge Londonerin Lois Elizabeth Hough verliebt hatte, die dort als Kindermädchen bei einer reichen französischen Familie arbeitete.
Nach ihrer Rückkehr folgte er Lois in ihre Heimat, doch ihre Beziehung ging in die Brüche, worauf er von London nach Leeds übersiedelte. Dort arbeitete er bei einem ortsansässigen Unternehmen, das Musikinstrumente herstellte. Allerdings ist aus dieser Zeit bisher keine einzige Geige mit seiner Signatur aufgetaucht, was Spekulationen nährt, ob er dort vielleicht nur untergeordnete Arbeiten erledigt und seine Kunst vernachlässigt hat.
Erst viel später hörte man wieder von ihm, nämlich in den 1880er-Jahren, als er in Paris seine produktivste Schaffensperiode hatte, was sich in einer ganzen Reihe exquisiter Instrumente niederschlug und seinen Ruf begründete. In Paris traf er auch Angélique Spengler, die mit einem berühmt-berüchtigten Theaterimpresario namens Hughes Caetano verheiratet war.
Angélique war eine umwerfende Schönheit, im Gegensatz zu ihrem raubeinigen Gatten, der mehrere Pariser Theater leitete und angeblich enge Verbindungen ins Pariser Rotlichtmilieu unterhielt. Aller Wahrscheinlichkeit nach verdankte es Caetano seinen Beziehungen zu politischen Kreisen, dass sämtliche Gesetzesverstöße aus seinen Papieren getilgt wurden. Doch den Ruf eines aufbrausenden und eifersüchtigen Mannes wurde er nicht los. Gerüchte besagen, er habe Angélique von ihrem verarmten Vater zur Begleichung von dessen Spielschulden bekommen – und zwar von der Klosterschule weg.
Wann, wie und wo Bailly und Angélique sich kennenlernten, weiß man nicht, wahrscheinlich bei einem Konzert. Doch als es dazu kam, sprühten die Funken, und sie wurden rasch ein Liebespaar. Bei dem besitzergreifenden Wesen des Gatten und seiner gesellschaftlichen Stellung war abzusehen, dass ihre Affäre ans Licht kommen würde. Und so geschah es auch. Bailly wurde von einem Schlägertrupp Caetanos übel zugerichtet. Es heißt, ihm sei das rechte Handgelenk gebrochen worden und er habe infolgedessen nie wieder ein Instrument gefertigt. Tatsächlich ist keine einzige Geige mit seiner Signatur aufgetaucht, die sich auf einen späteren Zeitpunkt datieren ließe.
Empört über diese Tat, verschaffte sich Angélique Zugang zum Tresor ihres Gatten und setzte sich mit seinem Geld und Bailly nach Amerika ab.
Als Caetano erfuhr, wohin die beiden geflohen waren, fackelte er nicht lange. Er schickte ein paar seiner Handlanger nach New York, die Angélique und Bailly rasch ausfindig machten. Angélique wurde entführt, während Bailly außer Haus bei der Arbeit war. Man hörte nie wieder von ihr. Manche Leute behaupteten, man habe sie ermordet und ihren Leichnam im Hudson versenkt; andere erzählten eine wilde Geschichte von Rache und Erniedrigung, laut der die einst so schöne junge Frau zur Prostitution gezwungen wurde, erst in Chinatown und später in Tijuana in Mexiko. Allerdings könne man solchen Geschichten, die über viele Jahre nur von Mund zu Mund weitergegeben werden, nicht trauen, meinte LaValle. Was daran der Wahrheit entspreche, könne man schwer sagen.
Jedenfalls – und vielleicht war das Teil der Bestrafung, die der rachsüchtige Caetano ersonnen hatte – blieb Bailly diesmal körperlich unversehrt, litt
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