80 Days - Die Farbe der Lust
lassen, dass er sich von der Kamera wegbewegte. Er nahm sein Jackett, das über der Couchlehne hing. Den Callboy hatte er bereits bezahlt, darum musste er sich also nicht mehr kümmern. Zusätzliche Kosten für irgendwelche Aktivitäten nach seinem Weggang waren Charlottes Problem.
Doch da traf es ihn wie ein Blitz. Was hatte sie sonst noch gefilmt?
Er ging wieder zu dem Kaffeeautomat, nahm das Handy und scrollte durch Charlottes Videoaufnahmen, die nach Datum sortiert waren. Eine stammte von dem letzten Abend, den er mit Summer verbracht hatte, vor ihrer Trennung im Café. Von dem Abend, an dem er sie rasiert und Jasper sie vor seinen Augen gefickt hatte.
Mit bangem Herzen spielte Dominik das Video ab. Die Aufnahmen waren zwar klein, aber scharf. Charlotte hatte tatsächlich gefilmt, wie Jasper und Summer Sex miteinander hatten. Hatte sie gewusst, was passieren würde? Hatte sie ihn dafür bezahlt? Und das Ganze organisiert? Das Handy musste zwischen die Polster der Couch geklemmt worden sein, oder vielleicht hatte es auf der Fensterbank gestanden. Jedenfalls war aus einem Blickwinkel gefilmt worden, der Summers Gesicht zeigte und ihren Ausdruck zwischen Wollust und Schmerz festhielt. Vielleicht war der Schwanz des Callboys zu groß für sie gewesen. Ein-, zweimal schaute sie kurz hinter sich. Sah sie sich nach ihm um, nach Dominik?
Er spielte die Aufnahme immer wieder ab, unfähig, sich von dem Schauspiel loszureißen, das Charlotte gefilmt hatte, und zwar ohne Summers Einverständnis, da war er sich sicher. Er klickte ein wenig herum und schickte die Aufnahme an seine E-Mail-Adresse, dann löschte er sie von Charlottes Handy und legte es wieder sorgfältig zurück. Nicht dass es ihn gestört hätte, wenn sie bemerkte, dass sie ertappt worden war. Er wollte Charlotte ohnehin nie wiedersehen.
Ohne einen Blick zurück trat Dominik auf die Straße.
Inzwischen war es später Abend geworden. Er schlüpfte hinter das Steuer seines BMW und atmete tief durch, bevor er den Wagen vorsichtig aus seinem Parkplatz manövrierte. Als er eintraf, war am Straßenrand viel Platz gewesen, doch jetzt standen hier die Autos Stoßstange an Stoßstange. Sämtliche Einwohner dieser friedlichen Straße, in der Charlotte wohnte, waren in ihr Zuhause zurückgekehrt, und er war ziemlich zugeparkt worden, hatte einen BMW vor und einen BMW hinter sich. Drei BMW hintereinander. Was er jetzt gar nicht brauchen konnte, war, jemandem ein Rücklicht oder einen Scheinwerfer zu demolieren.
Während Dominik langsam zur Hauptverkehrsstraße fuhr, von der er auf die A41 und dann die Finchley Road in Richtung Hampstead fahren würde, blickte er in die Fenster der Häuser. Er sah in Schlaf- und Wohnzimmern Lampen brennen, eine schmale Silhouette stand am Fenster, wahrscheinlich eine Frau, die noch kurz einen Blick auf die Straße warf, ehe sie die Vorhänge zuzog.
Die Gedanken an Summer ließen ihn nicht los. Immer wieder aufs Neue sah er die Bilder, wie sie hinter sich zu ihm schaute und wie Jasper in ihr abspritzte. Unterdessen wich er den wenigen Fahrzeugen aus, die ihm auf der engen Straße entgegenkamen, und überfuhr fast eine Katze, die sich rasch auf der anderen Straßenseite in Sicherheit brachte.
Er sinnierte vor sich hin, ob Charlottes Wohnung heute Abend wohl das einzige Heim war, in dem etwas ungewöhnlichere Amüsements stattfanden, oder ob überall in der Vorstadt Männer und Frauen einander gerade ganz heimlich und im Verborgenen auf ihre eigene Weise verwöhnten.
Wieder zu Hause schlüpfte er rasch aus den Kleidern und ließ sich aufs Bett fallen, ohne sich vorher noch die Mühe zu machen zu duschen.
Früh am nächsten Morgen hatte er einen Abgabetermin für eine Rezension.
13
EIN MANN UND EIN MÄDCHEN
Victors Anruf kam einen Tag später.
»Summer?«
»Ja?«
»Sei in einer Stunde fertig. Um zwölf kommt ein Wagen und holt dich ab.« Er legte auf, ohne meine Antwort abzuwarten. Und ich reagierte auf seinen Anruf nicht anders als auf seine vorigen: wie ein Spielzeugsoldat, der, einmal aufgezogen, schnurstracks in eine Richtung marschiert und seinen Weg nicht mehr ändern kann.
Ein Sklavenregister? Die Vorstellung war absurd. Das konnte unmöglich wahr sein. Demnächst würde ich aufwachen und feststellen, dass es sich nur um einen Traum gehandelt hatte.
Trotzdem befolgte ich Victors Befehl und duschte und rasierte mich sorgfältig. Schließlich wollte ich ihm keine Gelegenheit bieten, zur Rasierklinge zu greifen und es
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