80 Days - Die Farbe der Lust
genüsslich im Mund, als wollte er sie eine nach der anderen auf der Zunge schmecken. Ich hing an seinen Lippen, die ungewöhnlich weich wirkten, obwohl sein Mund insgesamt Entschlossenheit zeigte. »Du fragst dich wahrscheinlich, wer ich bin und was das Ganze soll.«
Ich nickte und trank einen Schluck Kaffee, der sogar noch besser schmeckte, als ich erwartet hatte.
»Guter Kaffee«, lobte ich.
»Ja«, erwiderte er und schien einen Moment verwirrt.
Ich wartete darauf, dass er fortfuhr.
»Ich würde dir gern deine Geige ersetzen.«
»Und was willst du dafür?«, fragte ich und beugte mich interessiert vor.
Statt einer Antwort beugte er sich ebenfalls vor und legte seine Hände flach auf den Tisch, sodass seine gespreizten Finger beinahe meine berührten, eine Geste, die mich einlud, meine Hände in seine zu schieben. Sein Atem roch ganz leicht nach Kaffee, und ich hatte wie bei Charlottes Zimtaroma plötzlich das Bedürfnis, näher heranzurücken und an ihm zu lecken.
»Du sollst für mich spielen. Vielleicht Vivaldi?«
Träge lehnte er sich wieder zurück, und ein leises Lächeln spielte um seine Lippen, als bemerkte er, dass ich ihn attraktiv fand, und als wollte er mich deswegen necken.
Zu diesem Spiel gehörten zwei. Wieder straffte ich die Schultern, und als sich unsere Blicke begegneten, tat ich so, als wäre ich mir der Funken, die zwischen uns sprühten, nicht bewusst; und ich setzte ein Gesicht auf, als wäre ich tief in Gedanken und dächte über sein ungewöhnliches Angebot nach wie über einen x-beliebigen Arbeitsvertrag.
Ich erinnerte mich an das letzte Mal, als ich Die vier Jahreszeiten gespielt hatte, es war an dem Nachmittag nach meinem Streit mit Darren gewesen. An diesem Tag hatte mir jemand einen Fünfziger in den Geigenkasten gelegt. Wahrscheinlich Dominik, dachte ich nun.
Ich bemerkte, dass er unter dem Tisch das Gewicht verlagerte, und sah ein Aufblitzen in seinen Augen. Befriedigung? Begehren? Vielleicht wirkte ich nicht so gelassen, wie ich hoffte.
Da berührte mein Bein das seine, und mir schoss Röte in die Wangen, denn mir fiel plötzlich auf, dass ich breitbeinig wie ein Mann dagesessen hatte. Ich hatte nunmehr seit über einem Monat keinen Sex gehabt und war fast schon bereit, mit einem der Tischbeine vorliebzunehmen, aber das brauchte er nicht zu wissen.
»Nur ein einziges Mal, um das klarzustellen«, fuhr er fort. »Dann sollst du deine Geige bekommen. Ich entscheide, wo es stattfindet. Falls du Sicherheitsbedenken hast, was verständlich wäre, darfst du gern eine Freundin mitbringen.«
Ich nickte. Ich hatte zwar beileibe noch nicht eingewilligt, aber irgendwie musste ich Zeit schinden, um in Ruhe darüber nachdenken zu können. Der Unterton seines Angebots war eindeutig, und seine Arroganz irritierte mich, dennoch fand ich Dominik – entgegen meinen besten Absichten – außerordentlich attraktiv. Und ich brauchte dringend eine Geige.
»Heißt das, Summer Zahova, du nimmst das Angebot an?«
»Ja.«
Ich würde das Nachdenken auf später verschieben und eventuell per Mail absagen.
Er bestellte zwei weitere Kaffee, ohne mich zu fragen, ob ich überhaupt noch einen wolle. Fast hätte ich verärgert abgelehnt, aber da mir nach einem zweiten Kaffee war und es albern ausgesehen hätte, wenn ich seinen verweigert und mir auf dem Weg nach draußen selbst einen bestellt hätte, sagte ich nichts. Während wir die Tassen leerten, sprachen wir über das Wetter und plauderten über dies und das aus unserem normalen Leben. Wobei sich meines nicht mehr normal anfühlte, seit ich keine Geige mehr hatte.
»Vermisst du die Geige sehr?«
Ich wurde von einer seltsamen, unvermittelten Gefühlsaufwallung ergriffen, als wäre mir ohne Bogen und Instrument die Möglichkeit genommen, meinen Empfindungen freien Lauf zu lassen, sodass ich von innen her zu zerreißen, zu explodieren, in Flammen aufzugehen drohte.
Ich schwieg.
»Nun, dann sollten wir nicht zu lange warten. Vielleicht nächste Woche. Ich melde mich wegen des Orts und werde für diese Gelegenheit ein Instrument besorgen. Wenn alles zu meiner Zufriedenheit verläuft, gehen wir danach eine vernünftige Violine kaufen.«
Wieder ging ich über die beinahe schon respektlose Arroganz in seinem Ton hinweg und behielt meinen Unmut für mich. Ich stimmte zu, nahm meinen Mantel vom Stuhl, dann verließen wir das Café und gingen Seite an Seite, bis sich unsere Wege trennten und wir uns höflich voneinander verabschiedeten.
»Summer«,
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