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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Jackson
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auf der anderen Seite außen herum laufen musste. Ich war der einzige Mensch in den Docks, und während ich wie eine Ameise, der ein Krümel den Weg versperrte, kopflos hin und her lief, stellte ich mir vor, dass mich der mysteriöse Fremde die ganze Zeit bequem vom Café aus beobachtete. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, trug ich das züchtigste Outfit, das in Charlottes Kleiderschrank zu finden war. Da ich verschlafen hatte, war mir nicht genug Zeit geblieben, noch einmal kurz nach Hause zu fahren und mich umzuziehen.
    Charlotte hatte mir ein marineblaues Wollstretch-Kleid herausgesucht, das sie sich für ein kurzes Zwischenspiel als Empfangsdame in einer Anwaltskanzlei – bevor sie ihre Karriere im Online-Poker startete – zugelegt hatte. Es war gefüttert, bedeckte gerade noch die Knie und hatte einen sehr dezenten U-Ausschnitt; vier gleichmäßig auf der Brust platzierte Knöpfe gaben ihm einen militärischen Touch. Es saß zwar an den Hüften ein bisschen knapp, dafür aber locker um die Taille. Dazu trug ich einen schmalen cremefarbenen Gürtel, meine Schnürstiefeletten, die ich zum Glück am Tag des Handgemenges in der U-Bahn-Station angehabt hatte, und hautfarbene halterlose Strümpfe. Auf der Packung stand: »Mit Aloe Vera – Nude-Look.«
    »Wenn er mich darin sieht, denkt er sofort, ich will mit ihm ins Bett«, sagte ich zu Charlotte.
    »Na ja, vielleicht willst du das ja auch.«
    Dann sagte sie, ich solle mich nicht so anstellen, bei dem Rock müsse ich mich schon ganz vornüberbeugen, ehe der Schlitz enthülle, was ich darunter trage. Tatsächlich war es nur ein kurzer Schlitz, was das Gehen etwas mühsam machte, doch so bemerkte hoffentlich auch niemand, dass ich darunter nackt war. Da sich mein Slip unverkennbar unter dem Kleid abgezeichnet hatte, hatte Charlotte sich geweigert, mich so aus dem Haus gehen zu lassen. An der Tür gab ich mich schließlich geschlagen und überreichte ihr – wie ein Soldat bei der Kapitulation die Fahne – meinen Slip.
    Sie hatte mir auch ihren cremefarbenen Wollmantel geliehen und mir eingeschärft, ihn keinesfalls irgendwo liegen zu lassen, er sei ein teures Stück. Der Mantel roch stark nach Parfüm, mit einer Moschusnote, die nicht mein Stil war, und nach dem Zimtaroma ihrer Gleitcreme, denn sie hatte den Mantel vorgestern Abend über ihrem Latexkleid getragen.
    Als ich ankam, war ich froh um den Mantel, denn es regnete in Strömen. Charlotte hatte mir auch ihren roten Schirm gegeben, und als ich ihn öffnete und über mich hielt, kam ich mir ein wenig nuttig vor – er war der einzige leuchtende Farbklecks weit und breit in einem Meer aus Schwarzgrau.
    Ich betrachtete das Innere des Cafés. Nichts Besonderes, aber so wie der Italiener hinter der Theke aussah, gab es vermutlich guten Kaffee. Immerhin ist die braune Brühe, die einem in den Flughäfen Europas serviert wird, immer noch besser als alles, was einem England in dieser Hinsicht bietet. Noch etwas, was ich einem Engländer gegenüber nie erwähnen würde. Aber sie sind eben eine Nation von Teetrinkern.
    Eine Theke, ein paar Tische und Stühle. Eine freitragende Treppe, die nach oben führte. Ich sah aus dem Fenster. Man hatte einen guten Blick über die Docks. Falls er da war, hatte er mich zweifellos kommen sehen. Da ich unten niemanden entdeckte, ging ich die Treppe hinauf in den ersten Stock. Aber auch hier saß niemand bis auf eine Frau mittleren Alters mit einer Zeitung und einem halb ausgetrunkenen Cappuccino vor sich. Mein Handy vibrierte. Wir hatten unsere Nummern ausgetauscht für den Fall, dass sich einer verspätete oder etwas dazwischenkam.
    Eine SMS . »Ich bin unten.«
    Verdammt. Ich ging wieder hinunter, versuchte, nicht verlegen zu wirken, und entdeckte neben der Treppe einen Tisch, von dem aus man beste Sicht auf die hölzernen Stufen mit den offenen Zwischenräumen hatte. An diesem Tisch saß der Mann genau richtig, um bestens zu sehen, was ich unter meinem Kleid trug. Bei dem Gedanken, dass ich mich diesem Fremden gerade vollkommen nackt unter meinem Rock präsentiert hatte, fühlte ich Erregung in mir aufwallen. Und gleich darauf Scham. Nimm dich zusammen, sagte ich mir, und zwar schnell.
    Ohne das geringste Anzeichen von Ärger über meine Verspätung lächelte er mich an. Und er machte auch keinerlei Andeutung, dass er gerade mein nacktes Fleisch oberhalb der Strümpfe gesehen hatte, als ich die Treppe hinaufgegangen war.
    »Du bist also Summer.« Es war keine Frage. Seine

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