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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Jackson
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darfst.«
    Im Augenblick konnte Summer sich gar nicht vorstellen, eine feinere Geige in Händen zu halten, waren doch bei dieser hier Gewicht, Ausbalancierung und Körper einfach perfekt.
    »Spiel für mich«, forderte Dominik.
    Summer ließ Charlottes Mantel auf den Boden gleiten. Auf ihrem bloßen Rücken spürte sie die kühle Morgenluft nur wie einen schwachen Hauch, als sie sich innerlich auf die Musik einstellte. Und rasch hatte sie alles um sich herum vergessen, den seltsamen einsamen Ort, auch die Untertöne ihrer Beziehung – ja, sie wusste nun, dass es sich zu einer Beziehung entwickeln würde – zu diesem merkwürdigen, gefährlichen Mann.
    Sie beugte sich über den Geigenkasten, um nach dem Bogen zu greifen, was Dominik, wie sie wohl wusste, einen kurzen Blick auf ihre Brüste erlaubte. Das schwarze Kleid trug sie immer ohne BH .
    Summer schaute Dominik an, der geduldig und ausdruckslos wartete, und begann die Violine zu stimmen. Der volle, reiche Klang des Instruments erschallte im Pavillon, jede einzelne Note schwebte zur Decke und wurde wie ein Echo wieder zurückgeworfen.
    Dann begann sie Vivaldi zu spielen.
    Sie konnte die Vier Jahreszeiten längst auswendig. Es war immer ihr Paradestück gewesen, ob sie nun Straßenmusik machte, für Freunde spielte oder übte. Bei dieser Musik ging ihr das Herz auf; sie brauchte nur die Augen zu schließen, und schon glaubte sie, Gemälde italienischer Renaissancelandschaften vor sich zu sehen, in denen sich die Natur und das Spiel der Elemente entfalteten. Allerdings kamen in ihren von Vivaldi inspirierten musikalischen Träumereien so gut wie keine Menschen vor. Sie machte sich nie die Mühe, über diese merkwürdige Tatsache nachzudenken – wahrscheinlich war es eine Art Freud’scher Fehlleistung.
    Auch jetzt wieder blieb die Zeit für sie stehen.
    Es waren wirklich herrliche Klänge, die sie dieser Violine entlockte, und sie spürte, dass sie damit eine ganz neue, ihr bis dahin verschlossene Dimension der Musik erreichte. Sie hatte noch nie so gut und so entspannt gespielt, wurde eins mit der inneren Wahrheit der Musik, glitt auf ihren Wogen dahin, verlor sich in ihrem Wirbel. Es war fast so gut wie Sex.
    Als sie beim dritten Concerto, dem Herbst , angelangt war, öffnete sie kurz die Augen, um nach Dominik zu sehen. Er stand noch immer an derselben Stelle, reglos, gedankenversunken, und betrachtete sie gebannt. Jemand hatte einmal zu ihr gesagt, ihr Körper gleiche einer Geige: schmal in der Taille und ausladend in den Hüften. War es das, was er unter den wogenden Falten ihres schwarzen Samtkleids sah?
    Sie bemerkte einige wenige Leute am Rand der Lichtung, die offenbar von ihrem Spiel angelockt worden waren. Unbekannte Zuhörer.
    Halb befriedigt und halb enttäuscht, dass sie nun nicht mehr nur für eine einzige Person spielte, holte Summer tief Luft. Sie beendete das dritte Concerto und ließ den Bogen sinken. Der Zauber war gebrochen.
    In der Ferne applaudierten einige Joggerinnen.
    Ein Mann stieg auf sein Fahrrad und setzte seine Fahrt durch den Park fort.
    Dominik hüstelte.
    »Das vierte Concerto ist technisch ein bisschen vertrackt«, sagte Summer. »Ich bin nicht sicher, ob ich das ganz ohne Blick in die Noten hinbekomme«, entschuldigte sie sich.
    »Kein Problem«, entgegnete Dominik.
    Summer wartete auf eine Bemerkung zu ihrem Spiel, doch er schaute sie einfach nur an.
    Die Stille begann schwer auf ihr zu lasten. Nun spürte sie wieder die Kühle des Morgens auf ihrem bloßen Rücken. Sie fröstelte. Er zeigte keine Reaktion.
    Dominik entging nicht, dass Summer nervös geworden war. Sie hatte wundervoll gespielt, viel besser als erwartet. Es war eine ausgezeichnete Idee gewesen, sie hier spielen zu lassen. Sie als Solistin für sich allein zu haben, hatte ihn sehr berührt und in ihm das Gefühl einer tiefen Verbundenheit geweckt. Er konnte es kaum erwarten zu erfahren, wie sich ihre Haut anfühlte, wollte die glatte Rundung ihrer bloßen Schulter mit seinen Fingern, seiner Zunge ertasten und die unzähligen Geheimnisse unter ihrem Kleid erkunden. Die Form ihres Körpers konnte er sich bereits vorstellen. Er hatte es immer bedauert, dass er nie Noten lesen oder ein Instrument spielen gelernt hatte. Nun war er leider zu alt dafür. Aber Dominik spürte, dass Summer sein Instrument werden konnte, eines, das er viele Stunden spielen würde, ohne Ende.
    »Das war sehr schön.«
    »Danke, Herr.« Sie konnte es nicht lassen, ihn ein wenig zu necken.

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