80 Days - Die Farbe der Lust
London auszuhändigen. Er kündigte Summer die Sendung an und bat um eine Empfangsbestätigung.
Ihre Antwort bestand aus einem einzigen Wort: »Wunderschön.«
Im Begleitbrief zu der kostbaren Sendung hatte er ihr aufgetragen, so viel wie möglich zu üben, bis er ihr die nächste Aufgabe nenne. Zugleich hatte er ihr aber strikt verboten, auf dem Instrument vor Publikum zu spielen, schon gar nicht in der U-Bahn.
Nun mussten weitere Arrangements getroffen und Nachforschungen angestellt werden.
Per Anschlag am Schwarzen Brett der Musikhochschule suchte er drei Musiker, vorzugsweise unter dreißig, die Erfahrung mit dem Spiel in einem Streichquartett hatten und bereit waren, an einer einmaligen Performance teilzunehmen, für die es keine ausführlichen Proben geben würde und die unter ungewöhnlichen Umständen stattfinden sollte. Für ihre Diskretion versprach er ein gebührendes Honorar. Bewerber wurden gebeten, ein Foto von sich beizulegen.
Eine der Antworten, die er erhielt, erfüllte alle seine Bedingungen: Eine Gruppe von Studenten im zweiten Studienjahr, die schon länger als ein Jahr ein Streichquartett bildeten, dem aber gerade die zweite Violinistin abhanden gekommen war, weil sie vor wenigen Wochen in ihre Heimat Litauen zurückgekehrt war. Die beiden jungen Männer – einer spielte Violine, der andere Bratsche – sahen präsentabel aus, während man die Cellistin, eine junge Frau mit blonder Lockenmähne, sogar als ziemlich hübsch bezeichnen konnte.
Alle anderen Bewerbungen, die in seinem Briefkasten landeten, stammten von Solomusikern, die kaum über Erfahrung im Spiel mit anderen verfügten. Die Entscheidung fiel ihm also nicht schwer.
Doch bevor Dominik die drei zu einem Bewerbungsgespräch einlud, schickte er ihnen erst einmal einen Fragebogen, den er eigens für diese Aktion entwickelt hatte. Nachdem alle seine Fragen positiv beantwortet worden waren, was er angesichts seines fürstlichen Honorarangebots nicht anders erwartet hatte, organisierte er mit den dreien eine Videokonferenz über Skype. Er wollte selbst sehen, wie sie auf seine ungewöhnlichen Forderungen und Bedingungen reagierten.
Sie sollten alle in Schwarz erscheinen, sie würden kurz Zeit haben, sich mit der vierten Musikerin einzuspielen, aber während der eigentlichen Darbietung sollten ihnen die Augen verbunden werden. Und sie sollten nach dem Konzert Stillschweigen wahren und weder mit ihm noch mit der anonymen Geigerin Kontakt aufnehmen.
Obwohl die drei sich über diese Bedingungen wunderten, war der finanzielle Anreiz offenbar größer als ihre Bedenken.
Die blonde Cellospielerin hatte sogar einen Vorschlag für den Veranstaltungsort, eine Krypta in einer säkularisierten Kirche, deren Akustik gerade für Streichinstrumente perfekt sei und die, wie sie sagte, »völlige Abgeschiedenheit bietet, was immer Sie auch vorhaben«. Anscheinend war ihr sofort klar, dass dieses Konzert nicht in Dominiks Wohnung stattfinden konnte.
Sollte sie etwa erraten haben, was er vorhatte?, fragte er sich, als er ein amüsiertes Glitzern in ihren Augen bemerkte.
Sie besprachen noch kurz, welche Stücke zur Aufführung kommen sollten, und er notierte sich ihre Kontaktdaten. Nun war bis auf das Datum alles arrangiert. Er nahm das Telefon zur Hand.
»Summer?«
»Ja.«
»Hier ist Dominik. Du wirst nächste Woche wieder für mich spielen«, informierte er sie und gab ihr Ort und Zeit durch. Er nannte ihr das Stück, ein Streichquartett, für das er drei andere Musiker engagiert habe. Sie würde zwei Stunden Zeit zum Einstudieren haben.
»Zwei Stunden sind wenig«, bemerkte sie.
»Ich weiß, aber die drei anderen kennen das Stück bereits. Das macht es etwas einfacher.«
»Okay«, willigte Summer ein. Dann fügte sie hinzu: »Die Bailly wird in einer Krypta göttlich klingen.«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, sagte Dominik. »Noch was …«
»Ja?«
»Du wirst nackt auftreten.«
5
EIN MÄDCHEN UND SEINE ERINNERUNGEN
Dominik hatte nach meinem ersten Mal gefragt. Komisch, dachte ich später, dass ich mich bereit erklärt hatte, es ihm zu erzählen. Aber ich hatte gerade die Vier Jahreszeiten gespielt und war noch halb in dem Traumzustand, in den mich dieses Stück immer versetzte.
Anders kann ich es mir nicht erklären.
Und hier, was ich ihm erzählt habe.
»Meine ersten sexuellen Erfahrungen habe ich mit mir selbst gemacht. Beim Masturbieren. Ich begann damit schon sehr früh, früher als meine Freundinnen, glaube ich.
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