80 Days - Die Farbe der Lust
kam.
Ja, das wusste Dominik: Zu gegebener Zeit würde er Summer Zahova, Geigenspielerin in dieser Gemeinde, den Arsch versohlen. Aber man schlug ja immer nur die Frauen, auf die man auch nach dem ersten Fick noch scharf war. Die, die man unbedingt wollte. Die ganz besonderen.
Dominik wartete nur achtundvierzig Stunden, bis er erneut mit Summer in Kontakt trat. Wieder und wieder rief er sich ihre bisherigen Begegnungen vor Augen. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie sich nicht nur wegen der geschenkten Geige auf dieses schlüpfrige Abenteuer eingelassen hatte. Auch wenn die Bailly, die mit ihrem kristallklaren Klang an dem Spätnachmittag in der Krypta mit solch intensiver, melodischer Klarheit herausgestochen hatte, ein teures altes Stück war. Bei dem, was zwischen ihnen war oder zumindest sehr bald sein würde, handelte es sich nicht um eine bloße Transaktion zwischen Wohltäter und Nutznießerin, Auftraggeber und Kundin, einem geilen Mann und einer jungen Frau mit einer lockeren Einstellung zur Moral. Bereits bei ihrem ersten Treffen hatte er etwas in ihren Augen gesehen: Neugier; eine stillschweigende Herausforderung; die Bereitschaft, außergewöhnliche Risiken einzugehen, um das Feuer im Innern weiter lodern zu lassen. So zumindest interpretierte Dominik ihre Worte und Gesten und vor allem ihr schnelles Eingehen auf seine ungewöhnlichen Forderungen. Sie war keine Freizeitprostituierte, der es ums Geld oder um die Geige ging.
Natürlich wollte er sie haben. Unbedingt. So wie sie für ihn gespielt hatte, nackt und mit dieser zarten Röte auf den Wangen, als sie schließlich ausgezogen war, bis sie im göttlichen Fluss der Musik die letzte Zurückhaltung aufgegeben und mit geradezu exhibitionistischem Stolz gespielt hatte. Das war eindeutig gewesen. Die leicht geöffneten Lippen hatten sie verraten. Sie war bei dieser besonderen Darbietung mit sich im Einklang gewesen, hatte sich in sich selbst zurückgezogen und in einem seltsamen Zustand befunden, in dem sie sich weder ihrer Umgebung noch der Umstände bewusst war. Es hatte sie erregt.
Jetzt wusste Dominik, dass er mehr von ihr wollte, als nur mit ihr ins Bett gehen.
Das würde nur der Beginn ihrer Geschichte sein.
Schließlich rief er sie Samstag am späten Vormittag an, weil er wusste, dass sie zu dieser Zeit in dem Restaurant in Hoxton kellnerte. Er wollte das Gespräch kurz halten, um ihr keine Gelegenheit zu geben, weitere Fragen zu stellen. Um diese Zeit würde dort zweifellos ziemlich viel los sein.
Das Telefon klingelte eine ganze Weile, ehe Summer sich meldete.
Sie klang gehetzt.
»Ja?«
»Ich bin’s.« Dominik wusste, dass er seinen Namen nicht mehr nennen musste.
»Ich weiß«, erwiderte sie ruhig. »Aber ich bin in der Arbeit. Und kann nicht lange sprechen.«
»Das ist mir klar.«
»Ich habe mit deinem Anruf gerechnet.«
»Ach ja?«
»Ja.«
»Ich möchte, dass du wieder für mich spielst.«
»Verstehe.«
»Du wirst dich am Montag zur Verfügung halten. Sagen wir, am frühen Nachmittag.« In der Gewissheit, dass sie sich freimachen konnte und bereit dazu war, hatte Dominik die Krypta bereits reserviert. »Am selben Ort.« Sie einigten sich auf eine Uhrzeit.
»Diesmal spielst du allein.«
»Okay.«
»Ich freu mich drauf.«
»Ich auch. Muss ich ein bestimmtes Stück einstudieren?«
»Nein. Such dir aus, was du spielen willst. Ich möchte verzaubert werden.«
»Gut. Was soll ich anziehen?«
»Auch das ist dir überlassen. Aber halterlose Strümpfe. Schwarze.«
»Mach ich.«
»Und deine schwarzen High Heels.«
Vor seinem inneren Auge entstand ein lebendiges Bild.
»Selbstverständlich.«
Er hatte die Schlüssel für die Krypta am Abend vorher abgeholt und dem Hausmeister ein fürstliches Trinkgeld gegeben, um sicherzustellen, dass auch diesmal niemand vom Personal während des Konzerts vor der geschlossenen Tür herumlungerte.
Dominik eilte die enge, steile Treppe hinunter und stieß die Tür auf. Aus dem Kellergewölbe schlug ihm abgestandene, muffige Luft entgegen, dazu eine ganz leichte Wachsnote – eine blasse Erinnerung an brennende Kerzen und längst vergessene Andachten. Er spähte in die Dunkelheit und strich mit der Hand zuerst links und dann rechts über die kalte Mauer, bis er den Lichtschalter fand. Zwar hätte er von der letzten Aufführung her wissen müssen, dass er sich an der falschen Seite von der Tür befand, hatte es aber vergessen. Als er den Plastikknopf ein kleines Stück den schmalen Spalt
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