80 Days - Die Farbe der Lust
hochschob, wurde die Krypta in weiches Licht getaucht – nicht voll ausgeleuchtet, sondern diskret, samtig, der Gelegenheit angemessen. Dominik war schon immer ein planvoller Mensch gewesen, präzise, mit Blick für die Details. Und dies hier war ein Ritual, das er im Geiste unendlich oft geprobt hatte, seit er am Samstag mit Summer gesprochen und die heutige Verabredung getroffen hatte.
Nach einem Blick auf seine Uhr, eine teure silberne Tag Heuer, sammelte er rasch die umherstehenden Stühle zusammen und stellte sie hinten an die Wand. Es sollte alles genau richtig sein. Suchend sah er zur Decke hoch und musterte die Scheinwerferleiste, holte dann einen der gerade weggestellten Stühle, rückte ihn in die Raummitte und stieg darauf, auch wenn er auf dem unebenen Steinboden kippelte. Nun richtete er den mittleren Scheinwerfer so aus, dass er einen genau begrenzten Bereich ausleuchtete. Um die Wirkung zu verstärken, schraubte er die erste und die letzte Glühbirne ein Stück weit heraus. Ja, so sah das schon viel besser aus.
Wieder ein Blick auf die Uhr. Summer war bereits ein paar Minuten überfällig.
Kurz spielte er mit dem Gedanken, sie zu rügen und vielleicht sogar zu bestrafen, entschied sich aber dagegen, als er ihr leises Klopfen an der Holztür hörte.
»Komm rein«, rief er.
Sie trug wieder ihr kleines Schwarzes, mit einem grauen Strickjäckchen, das Schultern und Arme bedeckte, und umklammerte mit einer Hand fest den Griff des Geigenkastens. Die hohen Absätze ließen sie größer wirken.
»Tut mir leid«, platzte sie heraus, »aber die Jubilee Line hatte Verspätung.«
»Kein Problem«, sagte Dominik. »Wir haben alle Zeit der Welt.«
Er sah ihr in die Augen, und sie hielt seinem Blick stand, während sie das Jäckchen auszog und sich umsah, wo sie es hinlegen konnte, weil sie es nicht einfach auf den Boden fallen lassen wollte.
»Hier«, schlug Dominik vor und streckte den Arm aus.
Summer gab es ihm. In der Wolle hing noch ihre Körperwärme. Ungeniert hielt er sich das Kleidungsstück an die Nase und schnupperte ihrem Geruch nach, der eine grüne Note und ganz entfernt etwas Stechendes hatte. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, als er sich umdrehte und das Kleidungsstück zu den Stühlen trug, die er hinten an die Wand der Krypta gestellt hatte.
Dann ging er wieder zu ihr. »Was wirst du spielen?«, fragte er.
Sie antwortete etwas zögernd: »Es ist eine Art Improvisation über die Hebriden -Ouvertüre. Ich bin ein großer Fan von Mendelssohns Violinkonzert, aber es ist technisch sehr anspruchsvoll, und ich habe noch nicht alle Klippen gemeistert. Dieses Stück hier hat ähnlich schöne Melodien, ich habe es im Lauf der Jahre immer wieder geübt, obwohl es für großes Orchester geschrieben ist und nicht für ein Soloinstrument. Hoffentlich stört es dich nicht, wenn ich mich nicht streng ans klassische Repertoire halte?«
»Das geht in Ordnung«, meinte Dominik.
Summer lächelte. Sie hatte sich gestern den ganzen Tag den Kopf zerbrochen, für welches Stück sie sich entscheiden sollte.
Schon an der hölzernen Tür zur Krypta hatte sie gesehen, dass Dominik den Raum besonders ausgeleuchtet hatte. Ein Spot warf auf den Steinboden einen strahlend weißen Lichtkreis, der wohl ihre heutige »Bühne« sein sollte.
Sie machte einige Schritte darauf zu. Dominik folgte ihr mit seinen Blicken und ließ sich keine ihrer Bewegungen entgehen, als sie elegant über den Boden schritt, obwohl die High Heels denkbar ungeeignet für den unebenen Steinboden der Krypta waren.
Gerade als Dominik den Mund aufmachen und ihr die nächsten Anweisungen geben wollte, legte Summer vorsichtig den Geigenkasten auf den Boden und öffnete den seitlichen Reißverschluss ihres Kleids.
Dominik lächelte, weil sie seiner Aufforderung zuvorkam. Summer hatte erraten, dass sie wieder nackt spielen sollte, diesmal ohne andere Musiker an ihrer Seite. Heute würde er hier der Einzige sein, der bekleidet war.
Das Kleid glitt an ihr herab, sodass ihr Oberkörper nun entblößt war, dann beförderte Summer es mit einem raschen Hüftschwung auf den Boden, wo es sich an ihren Knöcheln in Falten zusammenschob wie der Balg eines Akkordeons.
Sie trug keine Unterwäsche.
Nur pechschwarze Strümpfe, die auf halber Höhe ihrer milchweißen Schenkel endeten.
Und die Designerschuhe mit den mehr als zwölf Zentimeter hohen Absätzen. Beiläufig ging ihm durch den Kopf, dass Summer vermutlich eine ganze Reihe exklusiver Schuhe
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