80 Days - Die Farbe der Lust
Samtstreifen verliefen längs der einzelnen Satinbahnen. Sie verliehen ihm etwas Geometrisches, einen Touch von Art déco, wie für einen Filmstar der Dreißigerjahre. Ein ausgesprochen glamouröses Teil und alles andere als ordinär. Allerdings erschien es mir etwas kurz. Als ich es mir vor dem Spiegel anhielt, stellte ich fest, dass es unterhalb des Busens endete. Ohne BH oder wenigstens Pasties würde ich darin meine Brüste offen zur Schau stellen.
Die Vorstellung erregte mich, und da ich es kaum erwarten konnte, mich darin zu sehen, begann ich an den Schnüren zu nesteln. Aber wollte Dominik wirklich, dass ich darin vor ihm spielte, nachdem er mich schon nackt gesehen hatte? Bisher hatte er sich nicht groß darum gekümmert, was ich anhatte. Auch wenn er wohlwollend zur Kenntnis nahm, dass ich entsprechend der Anlässe unterschiedliche Outfits wählte. Das Korsett entsprach mehr meinem Stil als seinem. Auf der Suche nach irgendeinem Hinweis durchwühlte ich noch einmal das Paket und fand zwei kleinere Schachteln unter dem Papier, mit dem es ausgelegt war. Dazu eine Karte.
»Trage es für mich. D.«, stand darauf.
Die eine Schachtel enthielt ein weißes, rüschenbesetztes Höschen, ein Paar Strümpfe und Strumpfhalter. Die Strümpfe waren echte Nylons, mit Naht. Ich wusste zwar, dass man noch echte Nylonstrümpfe kaufen konnte, hatte aber noch nie welche in der Hand gehabt. Sie fühlten sich leicht rau auf der Haut an, waren etwas rutschig und ganz ohne Stretch, also eher wie lange, dünne Schläuche und ganz anders als die weichen, dehnbaren Strumpfhosen, die ich normalerweise trug.
In der anderen Schachtel fand ich eine kleine Schürze aus weißer Baumwolle mit schwarz-weißem, gerüschtem Spitzenbesatz. Ein passendes Häubchen von der Größe einer Untertasse lag auch dabei.
Ein Dienstmädchenkostüm. Für Samstag. Für Charlottes Party.
Von passenden Schuhen keine Spur. Entweder hatte Dominik sie vergessen, was eher unwahrscheinlich war, oder er ging davon aus, dass ich welche hatte. Tatsächlich besaß ich schwarze Stilettos, die vorne ein hohes Plateau und einen weißen Rand hatten. Ich hatte sie mal einer Gogo-Tänzerin in Hackney abgekauft, die ihren Job aufgegeben hatte, um einen Hutladen aufzumachen, und sich deshalb von all ihren Schuhen trennte. Für meinen Anlass waren sie perfekt, wenn auch wegen ihrer Höhe reichlich unbequem. Doch für den richtigen Look war ich zu jedem Opfer bereit.
Schließlich fand ich in der Tiefe des Pakets noch etwas: eine kleine Handglocke mit kurzem Griff. Von der Form und der Machart erinnerte sie an die Klingeln, wie man sie im Gottesdienst verwendet. Ihr Klang war überraschend klar, er ähnelte eher den tiefen Schellen, die man von einem Orchester kennt, als dem hellen Glöckchen am Halsband einer Katze oder einer Fahrradklingel.
Schon aus Höflichkeit hätte ich mich bei Dominik für das Paket bedanken müssen, aber ich wollte ihn nicht zu weiteren Geschenken ermuntern. Mit der Geige stand ich schon genügend in seiner Schuld. Abgesehen davon sagte mir mein Gefühl, er habe das Korsett nicht für mich, sondern für sich gekauft. Damit er sich vorstellen könnte, wie ich darin aussah, und in einer Art Machtrausch könnte er sich weiter vorstellen, dass ich darin bediente wie eine Oben-ohne-Kellnerin, mit frei schwingenden Titten, wenn auch in einer viel raffinierteren Aufmachung. Und die Handglocke war wohl für die Partygäste gedacht, die mich damit zu Diensten rufen sollten.
Schließlich gab ich ihm nicht Bescheid, dass ich das Paket bekommen hatte, weil ich nicht wusste, was ich ihm sagen sollte. Mochte er doch ruhig ein wenig grübeln, ob ich zum Zeitpunkt der Lieferung wirklich zu Hause gewesen war oder ob das Paket in den Laden zurückgebracht werden musste.
Charlotte hingegen schickte ich vorsichtshalber eine SMS , um sicherzugehen, dass die Kostümierung nicht zu gewagt für ihre Gäste war.
»Oben ohne okay?«
»Klar. Bin gespannt!«
Ich legte die Sachen wieder in das Paket und stellte es im Schlafzimmer in die Ecke. Von dort schaute es vorwurfsvoll zu mir herüber, als wäre darin ein einsames Wesen gefangen, das von mir befreit werden wollte.
Um nicht ständig an das Kostüm und Charlottes Party denken zu müssen, tobte ich mich am nächsten Morgen im Schwimmbad aus, angefeuert von Emilie Autumn, die als Dauerschleife in meinem Unterwasserkopfhörer lief. Anschließend bummelte ich über die Brick Lane und frühstückte in einer Straße mit
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