80 Days - Die Farbe der Lust
dem passenden Namen Bacon Street in meinem Lieblingscafé des dortigen Viertels. Das Café ist zugleich ein Laden für Nostalgieklamotten. Auf den Ständern findet man jede Menge Sachen aus dem letzten Jahrhundert, und über allem liegt der süßliche, leicht staubige Geruch von altem Stoff, der mich an Dominiks Bücher erinnerte.
Es war immer noch recht früh am Morgen, weit früher, als ich gewöhnlich aufstehe, und doch waren schon ziemlich viele Leute unterwegs. Auf den Bürgersteigen zu beiden Seiten der Straße standen Kleiderständer; Antiquitäten und Ramsch waren auf Decken mitten auf dem Pflaster ausgebreitet. Sofas im Leopardenlook standen neben Büromöbeln; Imbissbuden verkauften von Grillfleisch bis zu Smoothies in Kokosnussschalen praktisch alles. Die Stimmung war fröhlich, geschäftige Händler umgarnten neugierige Touristen, die auf ihrem ersten Londontrip waren. Während ich mir einen Weg durch die Straßenhändler und Schnäppchenjäger bahnte, stellte ich fest, dass mir meine jüngsten erotischen Eskapaden ganz neue Sichtweisen auf die Welt eröffneten. Früher hatte ich immer geglaubt, die hier angebotenen Militärkappen, Uniformjacken und Gasmasken seien hauptsächlich für Sammler von Militaria gedacht, die solche Märkte offenbar mit erstaunlicher Regelmäßigkeit ansteuerten.
Doch auf einmal sah ich anstelle von Sammlerstücken jede Menge Fetischzubehör. Mützen und Uniformjacken für Leute, die Charlotte in den Clubs, in denen ich gewesen war, als »Doms« bezeichnen würde. Gasmasken für devote Typen oder für punkige Leute, deren sexuelle Orientierung nicht sofort auszumachen war. Diese Gegenstände unter einem Blickwinkel zu sehen, der den meisten anderen entging, verschaffte mir das erhebende Gefühl, einer Art Geheimbund anzugehören, einer Randgruppe der Gesellschaft, deren Mitglieder sich untereinander nicht kannten. Sorgen bereitete mir allerdings, dass ich all dies wohl nie wieder vergessen würde. Ohne bewusste Entscheidung saß ich plötzlich in einem Zug, von dem ich nicht mehr abspringen konnte, selbst wenn ich es wollte.
Ich saß fast den ganzen Tag in dem Café, beobachtete das Kommen und Gehen der Gäste und fragte mich, welcher von ihnen ebenfalls meinem Geheimbund angehörte. Ob sie in mir eine verwandte Seele ausmachten? Fanden wir als Außenseiter instinktiv den Weg zueinander, so wie Wildgänse unweigerlich nach Süden ziehen, oder sah ich so gewöhnlich aus wie alle anderen, wenn ich meine normalen Klamotten trug?
Mit diesem Gefühl der Resignation, dass ich an meinem Weg doch nichts mehr ändern konnte, legte ich das von Dominik für diesen Abend vorgesehene Kostüm an und trug es so, wie er es sich gedacht hatte: mit völlig nackten Brüsten.
Ungefähr eine Stunde kämpfte ich unter Zuhilfenahme der Anleitung vor dem Spiegel mit der Schnürung. Endlich hatte ich sie geschlossen, wenn auch nicht annähernd so eng, wie sie eigentlich sitzen sollte. Dann fuhr ich mit der U-Bahn von Whitechapel nach Ladbroke Grove. Ich trug meinen langen, roten Trenchcoat über dem Korsett und genoss den Gedanken, darunter eine vollkommen andere Person zu sein, die nur sich selbst gehörte und auf die Regeln der Gesellschaft pfiff – wie zum Beispiel, in der Öffentlichkeit einen BH zu tragen.
Als ich dann bei Charlotte den Mantel ablegen musste, verließ mich kurz der Mut. Ich war mit Bedacht etwas zu früh gekommen, denn ich wollte mich erst einmal etwas akklimatisieren, ehe die anderen Gäste eintrafen. Schließlich holte ich einmal tief Luft und warf den Trenchcoat ab, als würde mich die bevorstehende Party kein bisschen nervös machen. Charlotte hätte mich nur aufgezogen, wenn ich Schüchternheit gezeigt hätte.
»Hübsches Korsett!«, meinte sie.
»Danke.« Ich sagte ihr nicht, dass es ein Geschenk von Dominik war.
»Das lässt sich aber noch etwas enger schnüren. Komm mal her!«
Sie drehte mich mit dem Gesicht zur Wand und drückte mir die Hand ins Kreuz.
»Stütz dich ab.«
Es erinnerte mich an den Sex mit Dominik in der Krypta, wo er mich in eine ganz ähnliche Position dirigiert hatte. Schade, dass er nicht hier war, ich hätte mich jetzt gerne wieder so von ihm ficken lassen. Bei dem bloßen Gedanken wurden meine Nippel hart, und noch härter wurden sie, als mir klar wurde, dass mich mein »Dienst« heute Abend bestimmt ziemlich aufgeilen würde. Wenn meine Nippel so hart blieben, würde ich das wohl kaum verbergen können. Ob Dominik das bedacht hatte? Er
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