80 Days - Die Farbe der Lust
wandte sich nicht einmal um, und wer auch immer es gewesen sein mochte, verweilte nicht lange, sondern ging weiter zu einer Gruppe ineinander verknoteter Leiber. Summer behielt das Trio Dominik, Charlotte und Jasper eisern im Blick. Worüber mochten sie wohl reden? Über sie?
Gedanken überstürzten sich in Summers Kopf.
Was wie eine neue Runde in ihrem Spiel mit Dominik begonnen hatte, lief völlig aus dem Ruder.
Immer wieder wandte sich einer aus dem verschworenen Dreiergrüppchen um und sah zu ihr hinüber. Summer konnte sich nicht helfen, sie hatte den Eindruck, die Lachnummer des Abends zu sein. Sie kam sich verraten und verkauft vor.
Erinnerungen spukten in ihrem Kopf herum: Ihr Geigenspiel im Musikpavillon in der Hampstead Heath allein für Dominik; dann nackt im Quartett mit den Musikern, die Augenbinden trugen; dann das nackte Solo für ihn in der Krypta, das mit ihrem ersten Fick endete; und schließlich die Episode, die sie immer noch am meisten beschäftigte, als er ihr die Augen verbunden hatte und sie vor unbekanntem Publikum hatte spielen lassen (mittlerweile war sie überzeugt, dass nur eine einzige andere Person zugegen gewesen war, und ihr Instinkt sagte ihr, dass es ein Mann gewesen sein musste), bis er sie dann kurzerhand vor den Augen dieses Fremden genommen hatte. Und nun dieser Abend.
Worauf hatte sie gehofft, was hatte sie erwartet? Irgendeine sadistische Steigerung im rituellen Spiel ihrer ungewöhnlichen Beziehung? Kein Zweifel, sie hatte ihn vermisst, als er auf der Konferenz in Italien war. Seine ruhige Bestimmtheit, seine sanften, aber entschiedenen Befehle. Ihr Körper hatte es ihr signalisiert, und so hatte sie sich mit eigenen Abenteuern in der Fetischszene schadlos gehalten.
Sie hatte sich gewünscht, dass dieser Abend etwas Besonderes würde, nicht nur eine Variante dessen, was sie schon kannte, keine abgefahrene Kostümparty.
Summer schauderte. Sie spürte noch immer die scharfe Spur der Rasierklinge auf ihrer Möse und blickte an sich hinunter auf ihre glatte, nackte Scham. Ein Zittern durchlief sie. Der Anblick dieser extremen Nacktheit hatte etwas Schockierendes. Würde sie sich jemals daran gewöhnen und würde sie das beschämende Gefühl vergessen können, vor den Augen aller anderen rasiert, auf diese demütigende Weise entblößt worden zu sein? Sie hatte vage gehofft, Dominik würde ihr wenigstens danach die Hände losbinden und ihr erlauben, auf ihrer kostbaren Bailly für seine Gäste zu spielen. Aber dann hatte Charlotte das Kommando übernommen, und Summer war geblieben, wo sie war, nicht wirklich aufgehängt, aber nackt und überflüssig. Sie war bloß noch Zuschauerin jener wilden Wogen der Lust, die sie unwillentlich selbst entfesselt hatte und von denen mitgerissen die kleine Gästeschar nun ihren Begierden freien Lauf ließ. »Dominik, fick mich, nimm mich, vor allen, jetzt, bitte, sofort«, schrie es in ihrem Inneren, aber die Worte gelangten nicht über ihre ausgetrockneten Lippen, die wie versiegelt waren. Denn trotz all der Wagnisse, auf die sie sich mit ihm schon eingelassen hatte, wäre Bitten einfach zu erniedrigend. Ein tief sitzendes Gefühl sagte ihr, dass nicht sie ihn fragen, nicht sie darum betteln sollte, sondern dass es ein Befehl sein müsste. Der von Dominik kam. Nicht von ihr.
Sie sah, dass Charlotte den Kopf zu Dominiks Lippen neigte und ihn küsste. Auch Jasper rückte näher und begann an Charlottes Ohrläppchen zu knabbern. Hinter Summer hatte sich offenbar ein Paar auf dem Teppich niedergelassen – sie konnte es nicht sehen –, dessen Liebesgestöhn durch den ganzen Raum hallte.
Angelockt von diesen intimen Geräuschen, löste sich Dominik aus Charlottes Umarmung, ging zu Summer und befreite wortlos ihre Hände. Sie senkte die Arme, dankbar dafür, dass er sich doch noch an sie erinnert hatte, bevor sie Krämpfe bekam. Er küsste sie überaus zärtlich auf die Stirn, und dann gesellte sich auch Charlotte zu ihnen.
»Du warst so schön, meine Liebe«, sagte ihre Freundin und streichelte ihre Wange. »Einfach wunderbar.«
Summer hoffte, Dominik würde sich nun ihr widmen, aber Charlotte mit ihrem Jasper im Schlepptau, der immer noch sein Prachtstück vor sich hertrug, nahm Dominik an die Hand, als wollte sie ihn fortziehen.
Vollkommen nackt stand Summer da. Langsam strömte das Blut in ihre Arme zurück. Die Eifersucht versetzte ihr einen Stich, als sie sah, dass ihre Freundin Dominik in Beschlag nahm. Wusste sie denn nicht, dass
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