80 Days - Die Farbe der Lust
nackt vor einem Publikum, inzwischen schon eine gewohnte Situation für mich.
Zum Glück war Chris nirgends zu sehen. Vielleicht hatte er das Warten sattgehabt, oder die von Minute zu Minute geiler werdenden Anwesenden hatten ihn in die Flucht geschlagen.
Ich hob die Arme und spürte das Seil an meinen Handgelenken, das in Form einer Acht um sie herumgewunden wurde. Um sich zu vergewissern, dass die kompliziert geschlungenen Handfesseln nicht zu stramm saßen, schob Charlotte einen Finger zwischen Handgelenk und Seil. Vielleicht hatte sie ja doch ein Herz.
»Ist das okay so?«, fragte sie. »Nicht zu eng?«
»Nein, alles bestens.« Noch stand ich mit beiden Beinen fest auf dem Boden, doch das Seil wurde so weit hochgezogen, dass ich die Arme nicht mehr anwinkeln konnte. Angeblich sollte diese Haltung nicht zu schnell unbequem werden.
»Sie gehört dir«, sagte Charlotte verschwörerisch zu Dominik.
Nebenan rauschte Wasser, dann öffnete und schloss sich eine Tür.
Chris.
Er war nur auf der Toilette gewesen.
Verdammt.
»Hey«, sagte er zu Dominik. »Was machst du denn hier für eine Scheiße?« Seine Stimme bebte vor Zorn.
Mich fragte er nicht, was ich da tat, nur Dominik. Sah er denn nicht, dass ich mich nicht wehrte, dass ich mich bewusst dafür entschieden hatte, dass ich aus freiem Willen handelte und mich nicht nur den Launen irgendeines Mannes unterwarf, mit dem ich zufällig zusammen war?
Plötzlich war ich stinkwütend auf ihn, weil er so gar nichts von mir verstand und verlangte, dass ich seinen Erwartungen entsprach.
»Ach, hau einfach ab, Chris!«, sagte ich. »Mir geht’s bestens. Uns allen geht es bestens. Du verstehst das nur nicht.«
»Summer, bitte, sieh dich doch mal an! Was ist nur aus dir geworden? Ein Scheißfreak! Du kannst froh sein, dass ich nicht die Polizei rufe und ihr eure kranken Spielchen weiterspielen könnt.«
Er nahm seine Bratsche und seine Jacke und stürmte aus der Tür. Knallend fiel sie hinter ihm ins Schloss.
»Wow«, sagte dieselbe Stimme wie vorhin vom Sofa. »Deshalb sollte man nie Vanillas zu Partys von Perversen einladen.«
Gelächter. Der Ärger war verflogen.
Ach, zum Teufel mit Chris. Es war mein Körper, und ich würde, verdammt noch mal, damit tun, was mir gefiel. Dazu gehörte auch alles, was Dominik damit anstellen wollte.
Dominik strich mir übers Haar, küsste mich wieder, diesmal sehr zart, und streichelte meine Brüste.
»Ganz sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte er.
»Ja, mir geht’s gut. Sogar bestens.«
Ich wollte, dass er endlich weitermachte. Er sollte mich ficken und dann losknüpfen, damit meine Arme nicht mehr schmerzten und ich endlich meine Bailly spielen konnte.
Da zückte Dominik ein Rasiermesser.
10
EIN MANN UND SEINE DUNKLEN SEITEN
Die Hitze stieg. Nicht nur in dem von Zigarettenrauch verqualmten Raum, auch in ihren Köpfen.
Chris war abgerauscht, aber seine Worte klangen in Summers Ohren nach. Sie fühlte sich von seinen Vorwürfen getroffen. Doch die andere, eher übermütige und unvernünftige Seite in ihr war wütend darüber, dass er sich erdreistet hatte, sie zu kritisieren, und dass er glaubte, die widersprüchliche Natur ihrer Triebe zu verstehen.
Summer seufzte und trat auf der Stelle, um ihre schmerzenden Füße zu entlasten. Als sie aufblickte, sah sie Dominik etwas entfernt in ein angeregtes Gespräch mit Charlotte vertieft, während seine Hände freizügig über den inzwischen fast nackten Körper ihrer Freundin wanderten. Jasper stand neben ihnen, nackt mit einem spektakulär aufgerichteten Schwanz, den er gemächlich mit einer Hand streichelte, während seine andere Hand sich lebhaft an Charlottes dunkler Spalte zu schaffen machte. Charlotte schien nicht im Geringsten irritiert davon, von zwei Männern gleichzeitig gestreichelt zu werden. Sie schien die bizarre Situation voll unter Kontrolle zu haben. Dominik, immer noch von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, hatte als einziges Zugeständnis an das Geschehen sein Sakko abgelegt. Charlotte drückte sich an ihn, sodass die weiche Wolle seines Kaschmirpullovers sanft an ihren Brüsten rieb.
Im schwachen Lichtschein sah und hörte Summer eine ganze Reihe anderer Paare, die es auf dem Fußboden, einem Ecksofa und sogar auf dem großen, inzwischen abgeräumten Tisch miteinander trieben. Sex, wohin man schaute und lauschte: Stöhnen, Flüstern, Umarmungen. Irgendjemand trat auf Zehenspitzen hinter Summer und fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar. Doch sie
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