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80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe des Verlangens: Band 4 Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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hätte. Auch sah man keinen Busen, unter den Gurten des Geschirrs war ihre schmale Brust vollkommen flach. Sie machte nicht den Eindruck, als würde sie sich ausziehen, sondern als streifte sie einen Kokon ab, als würde hier ein Wesen gerade seine natürliche Form enthüllen und nicht strippen.
    Normalerweise war mein Auftritt die gewagteste, originellste und aufsehenerregendste Nummer des Abends. Das Netzwerk hatte mich und meine Partner bislang immer nur für Shows eingesetzt, die ganz allein aus unserer Darbietung bestanden. Hier sollten wir nun zum ersten Mal neben einer ganzen Reihe von Künstlern auftreten. Meine Kolleginnen im Place, im Sweet Lola, im Grand und in den anderen Clubs waren hingegen nichts weiter als Stripper des einen oder des anderen Geschlechts gewesen, die sich nur durch ihren Grad an Schönheit und an Talent unterschieden, sich mit Eleganz und Raffinesse um eine Stahlstange zu winden.
    Die Darbietungen auf dieser Bühne aber waren etwas völlig anderes. Zum ersten Mal begriff ich, dass ich nicht die einzige erotische Tänzerin der Welt war, die mehr tat, als nur die Kleider abzulegen. Plötzlich fühlte ich mich wie eine Anfängerin.
    Da erklangen die ersten Töne von Debussys »La Mer« aus den Lautsprechern. Nur unter Aufbietung all meiner Willenskraft schaffte ich es auf die Bühne. Dies ist das letzte Mal, sagte ich mir. Sobald ich wieder im Hotel wäre, würde ich Madame Denoux anrufen und kündigen. Endgültig.
    Zu allem Überfluss hatte ich erst auf den letzten Drücker erfahren, dass mein regulärer Partner erkrankt war und ich mit einem Ersatzmann vorliebnehmen musste, mit dem ich allerdings bisher keinerlei Erfahrungen gemacht hatte, wir hatten noch nicht einmal zusammen geprobt. Er war groß, hatte schwere Glieder und eine unerbittliche Miene. Vielleicht war er genauso nervös wie ich und biss deshalb so fest die Kiefer zusammen.
    Beim Tanzen hinkte er ständig einen halben Takt hinterher, daher waren wir nie ganz im Einklang. Wahrscheinlich wirkte es nicht besonders elegant, wie wir unsere Figuren abspulten. Mir kam es vor, als dauerte es eine Ewigkeit.
    Als er mich schließlich penetrierte, wie es die Choreografie der Nummer vorsah, fühlte ich mich besudelt und benutzt. Nie war ich so froh gewesen, die letzten Töne der Musik zu hören und meinen Auftritt beenden zu können.
    Als ich darüber nachdachte, was ich an diesem Abend und auch bei all den anderen Auftritten in den Monaten zuvor getan hatte, wurde mir übel. Auf dem Weg in mein Hotel am Leidseplein, wo ein Zimmer für mich gebucht war, ging mir das Erlebte unentwegt durch den Kopf.
    Hätte ich ein Taxi genommen, hätte ich die Gedanken leichter abschütteln können, aber ich brauchte unbedingt frische Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen, ehe ich mich im Hotel unter die Dusche stellen und die Schande von mir abwaschen würde.
    Es war drei Uhr nachts, um diese Stunde schlief die Stadt. Die Singelgracht war eine sanft schimmernde, stille Wasserfläche im Mondlicht, gesäumt von den holprigen Pflastersteinen der Uferstraße. Nur aus wenigen vorhanglosen Fenstern der Altbauten drang noch ein Lichtschein. Ich ging an den dunklen Auslagen des Athenaeum-Buchladens und denen des American Book Center am Spui vorbei. Irgendwann bog ich in eine Seitenstraße, die zum Dam führte, wo ein paar Nachteulen und betrunkene Spätheimkehrer von irgendwelchen Festivitäten an mir vorbeistolperten. Gedankenversunken bog ich dann in die Kalverstraat, ein menschenleeres Nachtgespenst mit flimmernden Neonschildern, und ging eine weitere Gracht entlang bis zum Leidseplein.
    Als ich schließlich in mein Zimmer kam, war ich todmüde. Und auch wütend auf mich. Weil ich mich für diese Art von Leben entschieden, weil ich Chey verlassen hatte. Und weil ich nicht die Kraft aufbrachte, zu ihm zurückzukehren. Durch das Tanzen fühlte ich mich beschmutzt wie nie zuvor in meinem Leben.
    Und so drehte ich die Dusche auf, zerrte mir die Kleider vom Leib, schloss die Augen und stellte mich unter den Wasserstrahl. Den mischte ich allmählich immer heißer, bis mich der Schmerz zurück in die Wirklichkeit riss. Ich blieb reglos stehen, ließ mir das Wasser über die Haut laufen und mich vom Dampf umhüllen.
    Als ich aus der Kabine trat, war meine Haut krebsrot. Meine Seele aber war noch immer besudelt. Wieder dachte ich an die Worte in Cheys Brief – verdorben, wunderschön, dreckig und dennoch ganz anders als das, was ich gerade erlebt hatte. Ein

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