80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste
schrecklichste Wasserhölle, die sich der menschliche Geist vorzustellen vermag. Ich habe eben das Deck verlassen, wo ich keinen festen Stand mehr finden kann, wenngleich die Crew kaum Probleme zu haben scheint. Das Wunder der Wunder scheint es mir zu sein, dass unser gewaltiger Rumpf nicht ein und für allemal verschluckt wird. Gewiss sind wir dazu verdammt, endlos am Rande der Ewigkeit zu schweben, ohne einen endgültigen Sturz in den Abgrund.
Wogen, die tausend Mal gewaltiger sind als alle, die ich je sah, gleiten wir mit der Leichtigkeit der pfeilschnellen Möwe davon, und die gewaltigen Wasser recken ihre Köpfe über uns wie Dämonen der Tiefe, aber wie Dämonen, die auf schlichte Drohungen beschränkt sind und denen es verboten ist, uns zu vernichten. Ich bin versucht, dieses ständige Entkommen der einzigen natürlichen Ursache zuzuschreiben, die für so etwas verantwortlich sein kann: Ich muss annehmen, dass sich das Schiff im Einfluss einer starken Strömung oder Unterströmung befindet.
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Ich habe den Kapitän von Angesicht zu Angesicht gesehen, in seiner eigenen Kabine – doch, wie ich es erwartete, nahm er mich nicht wahr. Wenngleich nichts in seinem Äußeren einen zufälligen Beobachter dazu nötigen würde, ihm etwas Über- oder Untermenschliches zuzusprechen, vermischte sich in mir dennoch das Gefühl nicht zu unterdrückender Achtung und Ehrfurcht mit dem Erstaunen, mit dem ich ihn betrachtete. Seine Körpergröße entspricht ungefähr der meinen, er misst also etwa einen Meter siebzig. Er ist von kräftiger und kompakter Statur, weder dick noch das Gegenteil davon. Doch was in meinem Geist eine unaussprechliche Empfindung weckt, ist der eigenartige Ausdruck, der sein Gesicht beherrscht, dieser intensive, wundersame, faszinierende Beweis hohen Alters, so vollkommen, so außerordentlich! Seine Stirn scheint, obwohl sie kaum Falten aufweist, den Stempel von Myriaden von Jahren zu tragen. Seine grauen Haare verweisen auf die Vergangenheit, und seine noch graueren Augen sagen die Zukunft voraus. Der Fußboden seiner Kabine war mit seltsamen, in Eisen gefassten Folianten dicht übersät, dazwischen vermodernde wissenschaftliche Instrumente und veraltete, längst vergessene Karten. Sein Kopf war hinabgebeugt auf seine Hände, und er brütete mit feurigen, unsteten Augen über einem Papier, das ich für ein Kommando hielt und das jedenfalls die Unterschrift eines Monarchen trug. Er redete mit sich selbst, wie es der erste Seemann ebenfalls getan hatte, den ich im Frachtraum gesehen hatte, murmelte einige leise, gereizte Silben in einer fremden Sprache, und obwohl der Sprecher nicht weit von meinem Ellbogen entfernt war, schien seine Stimme meine Ohren aus einer Meile Entfernung zu erreichen.
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Das Schiff und alles darin sind erfüllt mit dem Geist des Alters. Die Crewmitglieder gleiten hin und her wie die Gespenster verschütteter Jahrhunderte; ihre Augen haben einen aufmerksamen und unruhigen Ausdruck, und wenn ich auf meinen Weg ihre Finger im wilden Glimmen der Schlachtlaternen wahrnehme, fühle ich mich, wie ich mich niemals zuvor gefühlt habe, und das, obgleich ich mein ganzes Leben lang mit Antiquitäten gehandelt und die Schatten umgestürzter Säulen in Baalbek, Tadmor und Persepolis geradezu aufgesaugt habe, bis meine Seele selbst eine Ruine wurde.
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Wenn ich mich umsehe, dann schäme ich mich für meine früheren Empfindungen. Wenn mich der Windstoß schon erzittern ließ, der uns vor einiger Zeit traf, hätte ich dann bei dem Kriegstreiben des Windes und des Ozeans, bei dessen Beschreibung sich selbst Begriffe wie Tornado und Wüstensturm als wirkungslos erweisen, nicht fassungsloses Entsetzen spüren müssen? Alles in der unmittelbaren Umgebung des Schiffes verschwindet in der Finsternis ewiger Nacht und in einem Chaos aus schaumlosem Wasser, doch in etwa zwei Meilen Entfernung sind zu beiden Seiten bisweilen undeutlich gewaltige Eiswälle auszumachen, die in den tristen Himmel hineinragen und aussehen wie die Wände des Universums.
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Wie ich mir gedacht hatte: das Schiff befindet sich in einer Strömung – falls man eine Flut so nennen darf, die, heulend und kreischend vom weißen Eis, mit einer Geschwindigkeit kopfüber nach Süden donnert wie ein Wasserfall.
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Sich mein Grauen vorzustellen, ist vermutlich vollkommen unmöglich; doch eine Neugier nach den Geheimnissen dieser furchtbaren Gefilde überdeckt selbst meine Verzweiflung und wird mich mit dem hässlichen Ausblick auf
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