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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Nacht zerriss. „Sieh! Sieh!“, kreischte er in meine Ohren. „Allmächtiger Gott! Sieh nur! Sieh nur!“
    Während er rief, wurde ich auf ein dumpfes, mattes Glimmen eines roten Scheins aufmerksam, das die Seiten der gewaltigen Kluft herabströmte, in der wir lagen, und eine flackernde Helligkeit über unser Deck warf. Als ich meine Blicke nach oben richtete, erkannte ich ein Spektakel, das mein Blut in den Adern gefrieren ließ. In einer furchtbaren Höhe unmittelbar über uns und genau am Rande des Überhangs, schwebte ein gigantisches Schiff von vielleicht viertausend Tonnen.
    Obwohl es auf der Spitze einer Welle thronte, die seine eigene Höhe um mehr als das Hundertfache überragte, übertraf seine sichtbare Größe die jedes Linienschiffes und jedes East Indiaman , das existierte. Sein gewaltiger Rumpf war von tiefer, schmutziger Schwärze, nicht unterbrochen von den üblichen Schiffsschnitzereien. Eine einzelne Reihe Messingkanonen ragten aus seinen offenen Geschützpforten, und von ihren polierten Oberflächen glosten die Feuer unzähliger Schlachtlaternen, die in der Takelung hin und her schwangen. Doch was uns am meisten Grauen und Angst einflößte, war, dass das Schiff dieser übernatürlichen See und dem unbezwingbaren Sturm mit gesetzten Segeln widerstand. Als wir es zum ersten Mal sahen, war lediglich sein Bug zu sehen, als es langsam aus der finsteren und abscheulichen Kluft jenseits von ihm emporstieg. Für einen Augenblick tiefsten Schreckens hielt es auf der schwindelerregenden Spitze ein, als genieße es seine eigene Erhabenheit, dann erbebte es, wankte und – kam herab.
    Ich weiß nicht, welche plötzliche Selbstbeherrschung in diesem Moment in mich fuhr. Ich stolperte soweit achtern, wie ich konnte, und erwartete ohne Furcht die Vernichtung, die über mich kommen würde. Unser eigenes Schiff gab nun endlich den Kampf auf und sank, Kopf voraus, in die See. Die Wucht der herabstürzenden Masse traf den Teil davon, der bereits unter Wasser war, und das unvermeidliche Ergebnis war, mich mit unwiderstehlicher Kraft in die Takelage des fremden Schiffes zu schleudern.
    Als ich hinabfiel, ging das Schiff durch den Wind und drehte sich; und dem sich anschließenden Durcheinander schrieb ich es zu, dass meine Flucht von der Crew nicht bemerkt wurde. Ohne große Schwierigkeit erreichte ich ungesehen die Hauptluke, die teilweise geöffnet war, und so fand ich eine Gelegenheit, mich im Frachtraum zu verbergen. Warum ich das tat, kann ich kaum erklären. Ein unbestimmtes Gefühl der Furcht, das mich beim ersten Anblick der Seeleute überkommen hatte, ließ mich nicht los und war wohl der Grund dafür, mich versteckt zu halten. Ich war nicht gewillt, mich einer Rasse anzuvertrauen, die mich bei meinem kurzen neugierigen Blick so sehr überrascht, verunsichert und verängstigt hatte. Daher erschien es mir angebracht, mir ein Versteck im Laderaum zu sichern. Dies bewerkstelligte ich, indem ich einen kleinen Teil der Bretter entfernte, um mir eine bequeme Zuflucht zwischen den riesigen Balken des Schiffes zu bauen.
    Kaum hatte ich meine Arbeit abgeschlossen, zwangen mich Fußtritte im Frachtraum, davon Gebrauch zu machen. Ein Mann passierte mein Versteck mit schwachen und unsteten Schritten. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber ich hatte Gelegenheit, seine Gestalt als Ganzes zu sehen. Sie umgab der Ausdruck von großem Alter und Gebrechlichkeit. Seine Knie schwankten unter der Last der Jahre, und sein gesamter Körper zitterte unter der Bürde. Er murmelte in einem leisen, brüchigen Tonfall ein paar Worte in einer Sprache vor sich hin, die ich nicht verstand, und hantierte in einer Ecke in einem Stapel merkwürdig anmutender Instrumente und zerfallender Seekarten umher. Seine Gebärden war eine bizarre Mischung aus der Gereiztheit eines gealterten Kindes und der feierlichen Würde eines Gottes. Schließlich kehrte er an Deck zurück, und ich sah ihn nicht wieder.

2
    Eine Empfindung, für die ich keinen Namen habe, hat Besitz von meiner Seele ergriffen – eine Empfindung, die keine Analyse zulässt, für die die Lektionen vergangener Zeiten unzulänglich sind und für die mir, wie ich befürchte, auch die Zukunft keinen Schlüssel bereithalten wird. Für einen Geist, der wie der meine geartet ist, stellt diese letztere Vorstellung ein Übel dar. Ich werde niemals – das weiß ich genau – meine Wahrnehmungen erklärt bekommen. Doch ist es kein Wunder, dass diese Wahrnehmungen ungenau sind, da sie

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