9 Stunden Angst
verhindern, dass Denning sich so einfach aus der Affäre zog. Also warf er sich nach vorn, so weit es die Kette um seinen Fußknöchel zuließ, und stieß gegen die Waffe. Es gelang ihm, genau in dem Moment, als Denning abdrückte, den Lauf von seinem Kopf wegzulenken, woraufhin die Kugel in der Decke des Zuges einschlug. Denning versuchte, die Browning wieder in Position zu bringen, aber George hatte inzwischen die Hand darum geschlossen. Erbittert kämpften die beiden Männer um die Waffe.
»Lassen Sie mich sterben, George.«
Von der Fahrerkabine her näherten sich Beine, die durchs Wasser wateten. Taschenlampen leuchteten auf. Denning blickte George in die Augen. Die unerträglichen Schmerzen in seinem Gesicht hatten an seinen Kräften gezehrt, seinen Willen zermürbt. Er sah aus wie ein eingeschüchtertes Kind.
»Sie müssen mich sterben lassen. Es ist Gottes Wille.«
Eine behandschuhte Hand griff nach der Waffe und zog sie ihnen weg.
»Wo ist der Sprengstoff?«, fragte der Soldat. »Raus mit der Sprache!« Denning wurde nach vorn gezogen. Alle vier Männer richteten ihre Schnellfeuergewehre auf ihn.
»Wo ist der Sprengstoff?«
Denning wurde plötzlich ganz ruhig. Er holte tief Luft und starrte jedem der Soldaten nacheinander in die Augen. »Der Sprengstoff wird jeden Moment in die Luft gehen.«
15.28 Uhr
Frith Street, Soho
»Es ist Simeon Fisher ganz eindeutig nicht gelungen, den Anschlag zu verhindern«, sagte Berriman.
»Ganz eindeutig«, antwortete Hooper in sein Handy, während er den Gehweg entlangging. Er machte sich nicht die Mühe, seinen Sarkasmus zu kaschieren.
Jeder Respekt, den er seinem Vorgesetzten bis zu diesem Tag entgegengebracht hatte, war in den letzten Stunden verflogen. Er wusste, dass er von nun an auf sich allein gestellt war. So musste es auch sein, wenn die Operation doch noch ein Erfolg werden sollte, was durchaus nicht unmöglich war. Es hing alles davon ab, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und genau das hatte er vor. Solange er weiterhin sämtliche Informationen sammelte und schnell und richtig darauf reagierte, hatte er eine reelle Chance.
»Mark, mir scheint, wir sollten dieses Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fortsetzen. Sie klingen ein wenig aufgewühlt.«
»Mir geht es gut. Unsere Operation kann immer noch ein Erfolg werden.«
»Und wie soll das gehen, Mark? Sie scheinen es immer noch nicht verstanden zu haben. Die Katze ist aus dem Sack. Oder wird es zumindest bald sein.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe gerade gehört, dass der Pegel im Tunnel wieder sinkt. Möglicherweise hat Ed Mallory den Plan, von dem Sie mir erzählt haben, nun doch in die Tat umgesetzt. Das heißt nicht, dass die Geiselsituation schon beendet wäre, aber es bedeutet hoffentlich, dass die Passagiere nicht ertrinken.«
Hooper spürte, wie seine Ohren heiß wurden. Diese Neuigkeit bedeutete Ärger. Er hatte nicht einmal ansatzweise für möglich gehalten, dass Ed Mallorys hirnrissige Idee, mithilfe eines IRA -Veteranen ein Loch in die Tunnelwand zu sprengen, tatsächlich funktionieren könnte. Falls es stimmte, dass er damit Erfolg gehabt hatte, änderte das alles. Wenn es überlebende Geiseln und – schlimmer noch – überlebende Terroristen gab, würde die Wahrheit über ihre vorherigen Kenntnisse mit ziemlicher Sicherheit ans Licht kommen.
»Dann müssen wir einfach dafür sorgen, dass es gewisse Leute nicht lebend aus dem Tunnel schaffen.«
»Sie machen Witze!«
Berrimans negative Art ging ihm allmählich wirklich auf die Nerven, aber er wusste, dass er sein Temperament im Zaum halten musste. Wenn er die Beherrschung verlor, war es wahrscheinlicher, dass ihm Fehler unterliefen, und das konnte er sich nicht leisten. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
»Damit will ich sagen, dass sämtliche Personen, die davon wissen, die Evakuierung nicht überleben werden.«
»Das ist Wahnsinn, Mark. Die Terroristen wissen davon, der Zugführer weiß möglicherweise davon, und ich weiß es natürlich auch. Sie müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken: Es wird sich letztlich nicht geheim halten lassen.«
»Sie selbst werden niemandem davon erzählen. Die Zugentführer werden sterben, und was den Fahrer angeht …«
»Mark, was Sie da sagen, ergibt keinerlei Sinn. Sie müssen damit aufhören. Reißen Sie sich zusammen.«
»Nein, Howard. Sie sind derjenige, der nicht logisch denkt. Ich kann die Sache immer noch zu einem erfolgreichen Ende bringen. Wir müssen nur die nötigen
Weitere Kostenlose Bücher