9 Stunden Angst
misstrauisch und reserviert, aber ich dachte, das läge vielleicht an gewissen Spannungen zwischen Staatspolizei und MI 5.«
»Seither haben sich die Dinge nicht ganz so entwickelt, wie er es sich vorgestellt hat, und das hat ihn offenbar völlig verunsichert.«
»Welche Dinge meinen Sie, Howard?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, und Ed hatte plötzlich ein eigenartiges Gefühl in der Magengrube. Sein Unterbewusstsein regte sich, und es formierten sich Gedanken, von deren Existenz er keine Ahnung gehabt hatte. Sobald der Prozess einmal in Gang gesetzt war, ließ die Erleuchtung nicht lange auf sich warten. Als Ed seine nächsten vier Worte sagte, waren sie nicht als Frage, sondern als Feststellung gemeint.
»Sie haben es gewusst.«
Berrimans Stimme war die Erleichterung deutlich anzuhören, als er mit Ja antwortete. Seine Schuldgefühle waren zur unerträglichen Last geworden, und er war froh, sich endlich alles von der Seele zu reden, auch wenn dies unangenehme Folgen haben konnte. Natürlich würde es unangenehme Folgen haben.
»Uns lagen nur sehr ungenaue Informationen vor. Wir wussten lediglich, dass eine Zugentführung in der Londoner U-Bahn geplant war, dachten jedoch, dass sie erst nächste Woche stattfinden würde.«
»Und das sagen Sie mir jetzt, nachdem alles vorbei ist?«
»Es hätte Ihnen bei der Ausübung Ihrer Arbeit nicht geholfen.«
»Meinen Sie nicht, dass ich das selbst hätte entscheiden können?«
»Das alles tut mir sehr leid, Ed. Wir wussten wie gesagt nur, dass Tommy Denning versuchen würde, eine U-Bahn in seine Gewalt zu bringen. Hooper hatte einen Spitzel eingeschleust, von dem er die Information hatte, dass die Aktion frühestens nächste Woche losgehen würde.«
»Warum haben wir dann nicht alles darangesetzt, Denning und seine Mitstreiter hinter Schloss und Riegel zu bringen?«
»Ich kann nicht leugnen, dass es eine politisch motivierte Entscheidung war. Ich dachte, wenn wir die Zugentführung im Licht der Öffentlichkeit und der Medien stoppen, stehen wir alle gut da – Regierung, Geheimdienste, ich …«
»Und Hooper war Ihr Laufbursche.«
»Er war derjenige, der die Sache an mich herangetragen hat. Aber Denning und seine Schwester sind eine Woche zu früh aktiv geworden. Wahrscheinlich hat Denning unseren Spitzel enttarnt, und …«
»Dieser Spitzel hieß nicht zufällig Simeon Fisher?«
»Doch. Woher …?«
»Denning.«
»Stimmt ja, Sie haben mit ihm verhandelt. Na ja, jedenfalls hat uns der Frühstart auf dem falschen Fuß erwischt. Es hätte nichts gebracht, Sie davon in Kenntnis zu setzen, weil es Ihnen nicht geholfen hätte.«
»Und jetzt glauben Sie, dass Hooper den Verstand verloren hat.«
»Ed, ich habe sogar die Befürchtung, dass er versuchen wird, Tommy Denning zu töten.«
»Wie bitte?«
»Bei unserem letzten Telefonat hat er angekündigt, jeden töten zu wollen, der von der verdeckten Operation wusste.«
»O Gott, Howard.«
»Er glaubt, er könne die gescheiterte Operation doch noch zu einem erfolgreichen Ende bringen, damit wir alle ungeschoren davonkommen.«
»Ich gehe davon aus, dass Sie eine Funkmeldung an alle Kollegen rausgegeben haben, damit sie ihn suchen und aufhalten?«
»Wir sprechen diesbezüglich gerade mit Commander Boise.«
»Dann hoffen wir mal, dass ihn bald jemand entdeckt und festhält.«
»Da bin ich zuversichtlich.«
»Und was ist mit mir, Howard? Welche Konsequenzen habe ich für meine eigenmächtige Aktion zu erwarten?«
»Sie haben die Passagiere befreit, Ed, und sind daher aus dem Schneider.«
»Sie haben leicht reden. Ich werde trotzdem jede Menge Fragen beantworten und mich rechtfertigen müssen.«
»Ich werde mich für Sie einsetzen, Ed, das wissen Sie.«
Berrimans Worte beruhigten Ed nur bedingt. Er wusste, dass der MI 5-Boss wegen seiner vorherigen Kenntnisse von dem Anschlag selbst genug Probleme bekommen würde und bestimmt keine Zeit hatte, einem einfachen Polizisten den Hintern zu retten. Eds Meinung zum neuen Generaldirektor des MI 5 hatte im Laufe des Tages verschiedene Stadien durchlaufen, aber jetzt wusste er ganz genau, was er von dem Mann hielt: Er mochte ihn nicht, Punktum.
»Noch etwas, Ed: Was ich Ihnen gerade über die verdeckte Operation erzählt habe, bleibt fürs Erste unter uns, haben wir uns verstanden?«
»Natürlich, Howard.«
»Wir sprechen später noch darüber.«
»Wenn Sie möchten.«
»Das möchte ich unbedingt, Ed.«
Damit war das Gespräch zu Ende.
15.58
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