90 Tage auf Bewaehrung
ersparte mir die Verfolgungsjagd und erfreute mich stattdessen am Anblick meines Liebsten, der längst in trauter Runde mit meinen Freunden saß, überhaupt kein bisschen fremdelte, laut Geschichten erzählte und auch überhaupt nicht wie sonst manche meiner Ex-Freunde auf irgendwelchen Prüfständen zu stehen schien.
Es wurde ein schöner Abend. Nur Jörg konnte sich nicht ganz beherrschen und baggerte ein bisschen unfein an meinem Liebsten. »Schade, schade, dass du ausgerechnet das Schnittchen meiner besten Freundin bist. Harrrrrr, ich LIEBE heterosexuelle Männer, euch unverbrauchte Dinger. Also wenn du es dir mal anders überlegen solltest, Schätzchen…« Zum Glück reagierte er komplett unverklemmt. »Na, dann gib mal deine Nummer. Falls sie mich mal rausschmeißt, weiß ich ja wohin!« Bingo! Wem scheuer ich zuerst ein paar?!
Okay, wir lachten alle. Und ich vor allem über mich und meine typischen Panikattacken. Während die anderen den Abwasch erledigten, ging ich allein auf den Balkon eine rauchen. An dieser Stelle wollte ich einfach mal für mich allein meinen Freunden danken: Okay, ihr Süßen da drin in der Küche. Ich weiß, wie nervig ich manchmal sein kann, gerade wenn ich so unter hormoneller Spannung stehe wie jetzt. Erst erzähle ich euch detailliert jeden noch so kleinen Pupsschritt
stundenlang in Ich-so-er-dann-so-Geschichten, dann lebt ihr mit mir jede Krise aus, nachdem ihr wochenlang auf mich verzichten musstet, weil ich im Liebeswahn untergetaucht bin, dann muss Hilfe her, weil ich nicht allein für ihn kochen kann, dann haltet ihr geduldig die Füße still, bis ihr ihn endlich zu sehen bekommt. Und wenn euch dann tatsächlich mal einer nicht gefällt, sagt ihr es sehr höflich erst einmal trotzdem nicht. Danke!
Stunden später, auf dem Weg zum Auto, nahm mein Liebster mich in den Arm und flüsterte: »Also einen guten Hintern hat Jörg schon! Aber im Freundeskreis wird ja nicht gewildert!« In dieser Sekunde hätte ich gerne mein Gesicht gesehen... Ich wusste gar nicht, dass mein Liebster SOOO viel Humor hat!
Hasi, Mausi, Schnuppi
Sabrina hat für jeden Kerl einen Kosenamen: Der mit dem Seegrundstück auf dem Land ist ihr »Cowboy«, ein anderer wird nachts gern auch mal zum »Tiger«, und dann gibt’s noch eine Reihe von Schatzis, Adlern und sonstigen Merkwürdigkeiten. Besonders hübsch ist der »Muschelöffner« - ich überlasse es Ihrer Phantasie, diesen Namen seiner vollen Bedeutung zuzuordnen.
Ronja hatte mal einen »Liebbabbär«, der kam gleich nach dem »Muckelmann«. Meine Mutter hatte mal einen, den hat sie immer »Dicker« genannt - und er nannte sie »Dicke«. Da nahm ich schon zu, wenn ich das nur hörte. Ich bitte Sie, wo bleibt denn da die Würde? Welche Frau möchte wirklich, auch in den verschmustesten Momenten, »Dicke« genannt werden? Ich nicht!
Mein Liebster und ich sind da natürlich ganz anders. Wir nennen uns bei unseren Vornamen. Was? Liebster? Das schreibe ich ja nur... Nein, das stimmt natürlich nicht. Neulich ist es passiert. Da rutschte mir ein »Schatz« heraus. Der langweiligste, austauschbarste und am häufigsten gebrauchte deutsche Kosename für diesen außergewöhnlichen, einzigartigen, sensationellen Mann. Dabei erinnere ich mich noch ganz genau an Silvester 1995, als ich mir geschworen habe, das nie wieder zu tun. Damals hatte ich gerade eine »Hasi, Mausi, Schnuppi«-Beziehung hinter mir - Sie erinnern sich vielleicht, es war der chaotische Musiker. Überhaupt nahm
ich mir vor, beim nächsten Mann alles anders zu machen. Ich wollte auch keinem meiner zukünftigen Partner mehr mit Zahnbürste im Mund beim Pipimachen Gesellschaft leisten. Ich glaubte damals, das sei irre intim und näher ginge es nicht. Na ja...
Zehennägel schneiden, Augenbrauen zupfen und Pickel quetschen - eben das ganze Programm - sollte in Zukunft nur noch mit mir allein stattfinden. Und jetzt das!
Natürlich hat er so getan, als sei nichts passiert. Ich wurde knallrot, seine Reaktion war eine Nichtreaktion auf mein herausgerutschtes »Schatz«. Aber das Schlimme daran ist, einmal gesagt, liegt es mir irgendwie immer auf der Zunge und rutscht ständig raus. Gelegentlich höre ich seit diesem Zeitpunkt auch von ihm mal ein »Süße«. Und dann kann ich mich einfach nicht entscheiden, ob ich das romantisch finde oder schon das Ende meiner frischen Beziehung am Horizont sehe: einhergehend mit dem Verlust von Respekt, Achtung, Distanz und Wahrung sämtlicher
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