90 Tage auf Bewaehrung
Liebster ist der wunderbarste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Mädels, ich habe immer noch keinen Fehler entdeckt. Er hat mir sogar Hühnersuppe gekocht.«
Die von mir erwarteten Begeisterungsstürme blieben aus. Sabrina biss von ihrem Keks ab: »Du stellst den Kerl ja ganz schon auf ein Podest. Pass mal auf, dass er da nicht runterfällt.« Was tue ich? Nun gut, ich konnte schon zugeben, dass ich ihn ein klitzekleines bisschen idealisierte. »Was ist denn, wenn sich deine Hormone beruhigt haben und der Alltag angeschlichen kommt? Glaubst du wirklich, es gibt nichts, was dich stören könnte? Gerade dich, du empfindliche Neurotikerin?« Sabrina drückte jetzt den Keks komplett in ihren Mund!
Ich hätte ihr auf die gestopften Backen hauen können! Was sollte ich Fehler suchen, wenn ich gerade mal keine sah? Kerstin allerdings hatte Grund zur Sorge. Schlüsselkind Phillip klammerte. Er konzentrierte sich so sehr auf sie, dass ihr gar keine Luft mehr zum Atmen blieb, sein bisheriges eigenes Leben schien ihn nicht mehr zu interessieren. »Er ist immer da. Immer. Komm ich nach Hause, lächelt er mich mit einem Staubtuch in der Hand an, das Essen ist fertig und die Wäsche gebügelt. Mein gesamtes Freizeitprogramm für die nächsten zwei Wochen liegt auf dem Küchentisch. Kinokarten, Opernführer, sogar die Urlaubskataloge für die Winterferien im nächsten Jahr hat er schon mitgebracht.
Ja, ich liebe ihn. Aber doch nicht gleich so viel...« Und dann schossen ihr die Tränen in die Augen. »Außerdem will er ein Kind von mir! Ich habe doch schon drei...« Jörg schmetterte voller Freude: »Also doch! Ich werd bald schon wieder TANTE!«
Er war der Einzige, der sich freute, beruhigte sich aber angesichts unserer betretenen Mienen sehr schnell und zeigte sehr viel Verständnis für Kerstins Tränen: »Ja, Kinder, wenn ihr mich aber auch nie einladet. Ich hätte deinen Süßen schon auf andere Gedanken gebracht...! Was ich sagen will: Ihr müsst füreinander spannend bleiben, sonst seid ihr in einem Jahr so weit wie meine Eltern nach 25 Jahren!«
Na klar, es ist die Mischung, die Beziehungen ausmacht: das richtige Verhältnis von Nähe und Distanz, sein eigenes Leben leben und trotzdem viel mit dem anderen teilen. »Och, das kenn ich«, platzte es aus mir raus, und ich hätte mich fast am Marmorkuchen verschluckt. »Ihr erinnert euch an den chaotischen Musiker? Als ich mit ihm kurz zusammen war, entschieden wir uns beide dafür, uns nur auf uns zu konzentrieren, uns ganz doll kennen zu lernen und einfach ganz doll viel Zeit miteinander zu verbringen. Und zwar genau 24 Stunden am Tag - nur aufs Klo bin ich allein gegangen. Na gut, wenigstens die ersten vier Wochen … Die Zeit war zunächst ganz witzig, dann langweilig, dann schrecklich: Wir kannten alle Cafés der Stadt - ich konnte keine klassische Musik mehr zu Croissant und Milchkaffee hören! Wir lasen Zeitungen, hatten uns bald keine neuen Geschichten mehr zu erzählen, nichts mehr zu sagen. Wir hatten die Zweisamkeit und die Konzentration aufeinander völlig übertrieben. Im Grunde blieben wir nur zusammen, weil wir uns so sehr aneinander und an den Zustand wie ein siamesisches Zwillingspärchen - an den Seelen zusammengewachsen
- gewöhnt hatten. Als ich wieder anfing zu arbeiten, war er beleidigt, fühlte sich verlassen und suchte sich meine Nachfolgerin. Das war die, die Zeit hatte und putzen konnte …
»Ach, wenn ich das so höre, bin ich ja sehr glücklich über die Entscheidung, die ich getroffen habe: keine Kompromisse mehr, schon gar keine faulen«, sagte Sabrina und lehnte sich entspannt und selbstbewusst zurück. »Schätzchen, jetzt ist Zeit für Champagner, frei nach dem Motto: von allem nur das Beste, und das für mich!«
Sie hatte konkrete Vorstellung von dem nächsten Trottel: intelligent, humorvoll, reich, attraktiv, ungebunden, groß, großzügig bis spendabel, treu, verspielt, gut im Bett, sie über alle Maßen liebend, Nichtraucher, Champagnerliebhaber, kinder- und hundefreundlich, Computerexperte, Automechaniker, zwei Doktortitel und drei Sprachen - mindestens. Ein ganz normaler Mann also. Ach so, Pilotenschein und Porsche wären natürlich auch nicht schlecht, aber nicht zwangsweise Bedingung.
Ronja lachte laut: »Und was soll der mir dir? Du stinknormale Hausfrau und Mutter, ständig pleite, gern auch mal mit strähnigen Haaren und nicht mehr ganz so jung? Gut, du hast’nen Knackarsch, aber reicht der für die Richard Geres dieser
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