90 Tage auf Bewaehrung
Welt? Anspruch ist ja okay, nur ein Hauch von Realitätssinn wäre auch nicht schlecht. Wie sollen denn diese Träume und das normale Leben unter einen Hut gebracht werden? Außerdem ist das Leben kein Wunschkonzert, und mit deinen Ansprüchen überforderst du jeden - und vor allem DICH! Denn du wirst ihn so nie finden und wirst viel zu schnell immer wieder enttäuscht das Handtuch werfen. So kommst du nie über die Sieben-Wochen-Hürde!«
Sabrina sagte kein Wort und schluckte schwer an dem Prosecco, den ich noch in der hintersten Ecke meines Kühlschranks gefunden hatte. Nicht mal jetzt bekam sie Champagner.
Verflixte 7. Woche - Gefahren lauern natürlich überall: Da gibt’s die »Selbstverständlichkeits-Gefahr«: Wenn wir meinen, nach wenigen Wochen den Partner schon bis in die hinterste Ecke seines Charakters ausgeleuchtet zu haben und ein bisschen zu selbstverständlich mit ihm umgehen, nach dem Motto: Das ist typisch Carsten. Der macht das immer so... Nur weil Ihr Liebster ein einziges Mal in einem Anfall von Übermut und Vertrautheit den Ketchupflaschenhals abgeleckt hat.
Hübsch ist auch die »Wir-Gefahr«, wenn alles nur noch im Plural gesagt, gefühlt, getan wird, wenn Sie plötzlich Ihrer besten Freundin zu Weihnachten ein Foto von sich und Ihrem neuen Liebsten schicken. »Frohes Fest wünschen dir, liebe Susanne, deine blablabla und blablabla...«
Irgendwann nach Mitternacht verschwanden dann meine Freundinnen wieder in ihr eigenes Leben - und ich saß da, schnippste zu Ellas Freude Kekskrümel vom Tisch und dachte nach. Klar idealisierte ich meinen Liebsten. Das schützte mich und ihn vor den anderen Beziehungsgefahren. Aber irgendwie dämmerte es mir, dass es auch ein bisschen ein Trugschluss ist, wenn man einfach mal das Böse weglässt und die Augen vor der Realität verschließt. Und wenn ich ehrlich bin - so gaaaanz ohne Fehler ist er auch nicht. Genau wie ich. Aber wer ist das schon …
Die besten Freundinnen - für immer!
»Is ja gut. Wir kommen. Ja. Du hast es doch gehört: WIR kommen. 20 Uhr bei dir. Soll ich was mitbringen?«
»Ja, IHN!«, schnauzte Sabrina, die zu einem Essen einlud und meinen Liebsten inzwischen nur noch für ein Phantom hielt, weil sie ihn noch nie gesehen hatte. Sie hatte Recht, ich hatte mich wochenlang erfolgreich davor gedrückt, ihn vorzuzeigen. Nicht, dass er nicht vorzeigbar wäre - er sieht ja wirklich auch gut aus -, aber es ist die schwierigste Prüfung unserer jungen Liebe: die Absolution der Freunde! Sie wissen eigentlich ja alles, kennen unsere Geschichten, liegen quasi mit im Bett, aber sie wissen nicht, wie er riecht, wie seine Stimme klingt, welche Chemie er ausstrahlt und wie schnell er im Kopf ist. Und das muss man bei meinen Freunden sein, sehr schnell...
Ich machte mir Gedanken, wie ich ihn auf diesen großen Tag vorbereiten könnte: Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Freunde sind schon durchaus herzlicher, als die zauberhafte Vierer-Clique meines Liebsten, aber sie sind das stressigste Prüfungskomitee, was man(n) sich vorstellen kann. Ich hatte vorher natürlich alle extrem gebrieft: »Wenn du es wagst, Jörg, nachher einen testosterongeschwängerten Stierkampf hinzulegen, knall ich dir ein paar. Ich will auch nicht, dass du fragst, ob er mich ernähren kann! Und Ronja, wenn du auch nur ein dämliches Beispiel von älteren Frauen mit jungen Männern nennst, wenn du mich ein einziges Mal
Demi rufst, werde ich sofort mit Heulen und Schreien beginnen. Verstanden? Und ich will auch keine Worte wie süß, niedlich, ach Gottchen oder zauberhaft hören. Bitte, bitte, bitte. Seid einfach nur lieb.«
Ich war extrem nervös, mein Liebster nicht. Er dachte nicht eine Sekunde, wie ich damals, über sein Outfit nach. Nur darüber, ob er Blumen für die Gastgeberin besorgen sollte. Wie süüüüß! Ach Gottchen, war er nicht niedlich, geradezu zauberhaft!
Hand in Hand klingelten wir, und ich redete, redete, redete. Ich versuchte, die Situation und meine Nervosität mit Worten zu betäuben. Zusätzlich zappelte ich wie eine Springmaus im Laufrad. Haben Springmäuse Laufräder? Huhu, ihr Lieben. WIR sind da!!! Ich klang wie mit Chemie aufgepumpt.
»Ach was,« tönte es aus Sabrinas Küche »Ihr seid da. Guck mal an. Hallo Süße, hallo Liebster...« Das war zugegebenermaßen eine der wenigen Sekunden, in der er etwas irritiert guckte. »Ich nenne dich halt immer LIEBSTER, Liebster...«, erklärte ich Sabrinas merkwürdig intime Begrüßung und warf
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