90 Tage auf Bewaehrung
Verstand brachte. Vier Jahre lang. Vier Jahre, in denen sie unzählige Male in sein Handy guckte, seine Post heimlich öffnete, Brieftasche, Kontoauszüge, Spesenrechnungen, Sakkotaschen ständig ausspionierte und trotzdem bei ihm blieb. Aus Liebe?
Kann man sich von so was wirklich jemals wieder erholen?
Meine Gedanken hingen bleischwer. Ich könnte jetzt auch noch die Geschichte von Reinhard erzählen, dachte ich. Damit habe ich meine Mädels immer gekriegt, egal wie schlimm
und böse die Welt war. Reinhard (an sich ein lieber Mensch, und ich wünsche ihm von Herzen, dass er inzwischen zur Therapie geht) war das spießigste, geizigste, langweiligste, verklemmteste Arschloch, gefangen im Körper eines George-Cloony-Kevin-Costner-Johnny-Depp-Verschnitts (und keine Ahnung, wer ihm das beigebracht hat, aber küssen konnte der!). Alles andere war unter aller Kanone: Beamter im Finanzamt, was zu einem ständigen Misstrauen beiderseits führte. In seiner knappen Freizeit während der Arbeit sammelte er sämtliche Sonderangebote aller Discountmärkte der Stadt, und wehe, ich gab einen Cent mehr aus für Butter als in dem Laden, 37 Kilometer von zu Hause entfernt! Restaurants hielt er grundsätzlich für Verschwendung, an jeder Supermarktkasse kontrollierte er jeden einzelnen Posten auf der Rechnung, was das Einkaufen für alle - mich, die Kassiererin und alle anderen Kunden - zu einer Geduldsprobe machte.
Eine Rentnerin, die normalerweise selbst etwas länger brauchte, schob ihm eines Tages dermaßen zornig den Einkaufswagen in die Hacken, dass wir den Nachmittag im Krankenhaus verbringen mussten. Fragen Sie nicht, in welchem Zustand anschließend der Arzt, die gerufene Polizei, der Anwalt, drei Monate später der Richter und am Ende meine Mutter waren. (Von DIESEM Mann wollte sie ausnahmsweise mal kein Enkelkind.) Er kontrollierte den Energieverbrauch meiner Heizung und bestand darauf, dass ich während des Zähneputzens das Wasser abstellte. An Spieleabenden war’s besonders schlimm. Nicht nur, dass er meine Gäste klugscheißerisch belehrte, indem er ihnen die Spielregeln selbst bei »Mensch ärgere Dich nicht« vorsichtshalber noch mal rezitierte. Er achtete peinlich genau auf die korrekte Ausführung eines jeden Spielzuges, hasste es zu verlieren
und war die geborene Spaßbremse. Alkohol- und Nikotinverzehr mussten in seiner Gegenwart eingestellt werden.
Übrigens - als ich gar keinen Spaß mehr an ihm hatte (jetzt ließen auch nächtliche Turnübungen schlagartig nach), kaufte ich mir diesen sündhaft teuren roten Kaschmirpulli und präsentierte ihm den samt Rechnung. Vielleicht hätte ich ihm vorher eine Ladung Baldrian in den Hintern pusten sollen, in den ihn kurz darauf mein Fuß trat und ihn für immer aus meinem Leben kickte.
Ja, auch das ist eine sehr dunkle Seite, die das Zusammenleben quasi unmöglich macht. Aber auch ich hab’s nicht gleich erkannt.
Nun gut - es sind ja nicht nur die Männer, die uns Frauen blind vor Liebe ins Dunkle tappen lassen. Viele Frauen sind einfach nur auf der Suche nach Sponsoren und deshalb recht großzügig im Verteilen ihrer Gunst. Auch Frauen lügen, betrügen, hintergehen und schlagen. Wenn es allerdings ein Miststück trifft wie den Ex meiner Freundin Kerstin, dann hat die dunkle, böse Seite einiger Frauen auch mal echt was Gutes: Der Typ schleppte eigentlich alle hübschen Mädels ab - immer wieder. Doch dann fand er seine Meisterin. Gut fünf Wochen war er mit dem schönsten Mädchen seines Tennisclubs zusammen, sie sahen sich jeden Tag, er gab furchtbar mit seinem neuen Porsche und seinen Liebeskünsten an. Dann, an einem schönen Tag Anfang Mai, strahlte ihn das Beauty an und sagte lächelnd: »Ach, habe ich dir eigentlich eine Einladung gegeben? Ich heirate doch nächste Woche.« Er war sprachlos. Sie hatte längst einen reichen Sylter Geschäftsmann gefunden, fuhr inzwischen das neueste Porsche-Modell (ein Geschenk zur bevorstehenden Hochzeit), fühlte sich rundum sowohl finanziell (viele Grüße nach
Sylt!) als auch sexuell (911 ist auch hübsch!) befriedigt und schob den Club-Gigolo mit einem Lächeln zur Seite. Nach drei Tagen fand er seine Sprache wieder (was ich persönlich ein bisschen schade finde!).
Ich nahm Sabrina an die Hand, ratterte im Geiste alle dummen Sprüche meiner Oma durch: »Wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere«, oder »Die Zeit heilt alle Wunden« oder »Wenn die Nacht am dunkelsten ist, ist der Morgen am nahsten« oder
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