90 Tage auf Bewaehrung
»Nüscht wird so heiß gegessen wie es gekocht wird« oder »Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende« oder »Andere Mütter haben auch noch schöne Söhne«. Ich entschied mich dann doch, einfach mal die Klappe zu halten und mit ihr die Schwäne zu füttern.
PS: Ich habe noch einen: Die Liebe ist ein seltsames Spiel!
Plötzlich auf dem Fußballplatz
Picasso war nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern auch ein Lebemann und Frauenheld. Wussten Sie zum Beispiel, dass er einer seiner Angebeteten einen besonders hässlichen Blumenstrauß geschenkt hat? Nicht, weil er hässlich war, sondern weil er so sicher sein konnte, dass sie sich ihr Leben lang daran erinnern würde! Lustig, oder? Picasso war sowieso ein irre interessanter Typ - allein die rosa und blaue Phase und dann diese Kubismus-Geschichte! Wow! Als ich all diese faszinierenden Facetten dieses großartigen, einzigartigen Ausnahmekünstlers meiner Freundin Sabrina erzählte, pöbelte sie mich unverhältnismäßig unterbelichtet an:«Seit wann interessierst du dich für Picasso und was willst du mir über Kubismus erzählen, du Kunstnull?«
Nun gut, meine Leidenschaft wurde im wahrsten Sinne des Wortes wachgeküsst. Mein Liebster kennt sich mit Kunst aus - nein, das reicht nicht. Er weiß einfach alles, verehrt die großen modernen Künstler des 20. Jahrhunderts, ist geradezu besessen von den Stilrichtungen, von denen ich mal im Kunst-Grundkurs gehört und sie dann augenblicklich wieder vergessen habe. Ach je, da fällt mir gerade meine Abi-Arbeit im Fach Kunst ein. Ich habe einfach mal die Bilder, die ich verschiedenen Epochen zuordnen sollte, nicht erkannt und war auch nicht in der Lage, irgendwelche sinnvollen Interpretationen zu Papier zu bringen. Hätte die Aufsicht, meine Lateinlehrerin, nicht heimlich die Bilder in
die richtige Reihenfolge geschoben, wäre ich somit auch beim zweiten Mal durchs Abitur gefallen. Danke, Frau Dörn! Obwohl, wenn Sie mir nicht die ganzen Fünfen in Latein...
Aber ich habe aus meiner Pleite gelernt - um zu gewinnen, muss man gut vorbereitet sein. Das heißt: Recherche, Information, Strategie, Merkfähigkeit, schnelles Überblicken der wichtigsten Details und das Talent, sein neu erworbenes Wissen geschickt, unauffällig, geradezu zufällig als eine selbstverständlich lang gewachsene Basisbildung dem Objekt der Begierde unterzujubeln. Sprich: Einfach mal schön auf die Kacke hauen! In der Praxis sah das so aus: Irgendwann erzählte mein Liebster von seiner Kunstleidenschaft. Ich merkte mir das Thema und lenkte ihn sofort mit heißen Küssen ab, stopfte ihm damit buchstäblich den Mund, um mich nicht gänzlich zu blamieren. Zu Hause schmiss ich den Computer an und vertiefte mich für die nächsten siebendreiviertel Minuten in den Artikel »Picasso in Stichworten«, den ich mir im Groben einprägte. Mut zur Lücke!
Jetzt galt es, mein erlangtes neues Wissen geschickt in den Raum zu werfen. Die Kasse meines Supermarktes erschien mir ideal. Ich griff nach einem Schokoriegel und sagte in mich versunken, also quasi nebenbei, irgendetwas ziemlich Schlaues. In etwa so: Ach, interessant. Wie bei Picasso. Im Kubismus werden ja auch alle Themen auf simple geometrische Formen reduziert. Na gut, im späteren Kubismus, dem synthetischen Kubismus, da werden ja auch verschiedene Ansichten eines Objekts oder einer Person simultan aus verschiedenen Blickwinkeln in einem Bild dargestellt. Dieser Schokoriegel erinnert mich aber sehr stark daran.
Natürlich musste ich mich hoch konzentrieren, um diesen
wirklich schwierigen Satz irgendwie fehlerfrei und so lapidar wie möglich über die Lippen zu kriegen.
Er reagierte anders, als ich es mir gewünscht hatte. »Was sagst du, Schatz? Ich habe gerade nicht zugehört. Gibst du mir mal die Möhren rüber, bitte.«
Aha, so einfach war’s also nicht zu glänzen. Zum Glück gab’s ja die große Picasso-Ausstellung in Berlin, zu der ich wenigstens Karten organisieren konnte. Immerhin, das machte schon mal so richtig Eindruck. Das war der Auftakt zu einer grauenvollen Zeit: Um ihm zu imponieren und irgendwie vorzuheucheln, dass ich auch für die Kunst geboren sei wie er (ach, wir sind doch Seelenverwandte!), schleppte ich ihn von einer langweiligen Vernissage in Berlin zur nächsten. Meine Erfahrungen mit Galeristen und vor allem Galeristinnen und anderen Pseudo-Kunstliebhabern bestätigten sich jedes Mal aufs Neue: schwarz gekleidet, billigen Rotwein schlürfend, mit
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