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900 Großmütter Band 1

900 Großmütter Band 1

Titel: 900 Großmütter Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Hrsg Lafferty
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war, da doch offensichtlich irgendwas mit der Zeit nicht stimmte? Nun, wenigstens nach der Sonne und den Uhren, die allerdings beide nicht richtig zu funktionieren schienen, mußte es noch früh genug sein.
    Er ging deshalb ohne ein richtiges Frühstück los, weil das Kaffeewasser nicht kochen und der Speck nicht braten wollte. Es war einfach so, daß das Feuer keine Hitze gab. Die Gasflamme entsprang dem Brenner wie ein sich langsam ausbreitender Strom oder wie eine Blume, die sich öffnet. Dann brannte sie viel zu stetig. Der Topf blieb kalt, als er ihn auf die Flamme setzte, und das Wasser wollte nicht einmal warm werden. Überhaupt hatte es mindestens fünf Minuten gedauert, bis das Wasser überhaupt aus dem Hahn gelaufen war. Er aß ein paar Stückchen übriggebliebenes Brot und Fleisch.
    Auf der Straße war keine Bewegung, wenigstens keine richtige Bewegung. Ein Lastwagen, der zuerst stillzustehen schien, bewegte sich ganz langsam. Einen Gang, in dem er so langsam fahren konnte, gab es überhaupt nicht, Und dann kam ein Taxi angekrochen, doch Charles Vincent mußte eine Zeitlang genau hinsehen, bis er sicher war, daß es tatsächlich fuhr. Dann bekam er einen Schock: im frühen Morgenlicht sah er, daß der Fahrer tot war. Tot mit weit offenen Augen! So langsam das Taxi fuhr, und wodurch auch immer es sich fortbewegte – man sollte es doch lieber anhalten! Vincent schritt langsam herzu, öffnete die Tür, zog die Bremse an. Dann sah er dem Toten in die Augen. War der Mann wirklich tot? Schwer festzustellen. Er war noch warm. Aber noch während Vincent hinblickte, begannen die Augen des Toten sich zu schließen. Und sie schlossen sich ganz und öffneten sich wieder, und das dauerte etwa zwanzig Sekunden.
    Das war gespenstisch. Beim Anblick der sich langsam schließenden und wieder öffnenden Augen durchfuhr Vincent ein Schauer. Und der Tote hatte begonnen, sich in seinem Sitz vorzuneigen. Vincent legte dem Manne die Hand mitten vor die Brust, um ihn aufrecht zu halten, aber der Vorwärtsdruck erwies sich bei aller Langsamkeit als unwiderstehlich. Vincent schaffte es einfach nicht, daß der Tote in aufrechter Haltung blieb.
    Also ließ er ihn sich weiter vorneigen und sah neugierig zu; und nach ein paar Sekunden lag das Gesicht des Fahrers flach auf dem Steuerrad. Aber es war beinahe, als wollte es immer weiter vorwärts. Es preßte sich mit sturer Kraft in den Volant hinein. Der Mann würde sich bestimmt das Gesicht aufschlagen! Vincent griff ein paarmal zu und schwächte den Druck etwas ab. Doch wies das Gesicht des Toten bereits Verletzungen auf, und normalerweise hätte Blut fließen müssen. Aber der Mann war wohl schon solange tot, daß die Blutgerinnung bereits eingesetzt haben mußte, denn es dauerte volle zwei Minuten, bis Blut zu sickern begann.
    »Was immer ich auch getan habe, ich habe genug Schaden angerichtet«, sagte sich Vincent; »und was für einen Alptraum ich auch träumen mag, ich richte vermutlich noch mehr Schaden an, wenn ich mich weiter einmische. Ich werde lieber die Finger davon lassen.«
    Er ging die Straße hinunter. Jedoch alle Fahrzeuge, die er erblickte, bewegten sich unglaublich langsam, als ob ihre Differentialgetriebe auf phantastische Weise reduziert worden seien. Und die Leute, die hier und da unterwegs waren, schienen eingefroren zu sein. Es war ein kühler Morgen, aber so kalt war es nun doch nicht. Sie schienen unbeweglich in einem bestimmten Punkt ihrer Bewegung zu verharren, als vergnügten sie sich mit dem alten Kinderspiel »Denkmäler«.
    »Wie kommt es«, fragte sich Charles Vincent, »daß dieses junge Mädchen, das, glaube ich, im Büro gegenüber von uns arbeitet, aufrechtstehend und noch dazu im Gehen gestorben ist? Aber nein, sie ist nicht tot. Oder wenn doch, dann ist sie mit einem sehr lebensvollen Gesichtsausdruck gestorben. Und, o mein Gott! sie auch!« Denn er bemerkte plötzlich, daß die Augen des Mädchens sich schlossen und im Verlauf einiger Sekunden ihren Zyklus beendet hatten und wieder offen waren. Außerdem, und das war sogar noch seltsamer, hatte sie ihren Ort verändert: sie war in ihrem unmerklichen Schreiten ein Stück vorangekommen. Er hätte es mit der Uhr kontrollieren mögen – aber wie konnte er das, wenn alle Uhren der Welt verrückt geworden waren? Immerhin mußte sie in einer Minute etwa zwei Schritte getan haben.
    Vincent betrat die Cafeteria. Die üblichen Morgengäste, die er oft durch die Scheiben beobachtet hatte, waren da. Das

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