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900 Großmütter Band 1

900 Großmütter Band 1

Titel: 900 Großmütter Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Hrsg Lafferty
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Entschuldigung und reißt aus. Aber meine Erfahrung sagt mir, daß ich ein größeres Honorar kriegen werde, wenn Sie die dritte Alternative probieren. Und eine neue Art Irre gibt es nicht.«
    »Vielleicht klingt es gar nicht so verrückt, wenn ich es rasch hintereinanderweg erzähle«, sagte Vincent. »Als ich heute morgen aufwachte, hatte ich ein paar sehr rätselhafte Erlebnisse. Anscheinend stand die Zeit selbst still, oder die ganze Welt war in eine Art Super-Zeitlupe geraten. Das Wasser wollte weder fließen noch kochen, und das Feuer wollte das Essen nicht heißmachen. Die Uhren – ich dachte zuerst, die Zeit sei ganz stehengeblieben – krochen im Tempo von ungefähr einer Minute pro Stunde. Die Leute, die ich auf der Straße sah, kamen mir wie Tote vor, die in lebenswahrer Haltung eingefroren waren. Nur wenn ich sie sehr lange betrachtete, merkte ich, daß sie sich tatsächlich bewegten. Ich sah ein Taxi, das langsamer dahinkroch als die lahmste Schnecke, und am Steuer saß ein Toter. Ich ging hin, öffnete die Tür und zog die Bremse. Nach einiger Zeit wurde mir klar, daß der Mann gar nicht tot war. Aber er sank nach vorn und verletzte sich dabei das Gesicht am Volant. Es muß eine volle Minute gedauert haben, bis sich sein Kopf um dreißig Zentimeter nach vorn bewegt hatte, und doch konnte ich nicht verhindern, daß er hart am Steuerrad aufschlug. Ich tat noch eine Reihe anderer bizarrer Dinge in einer Welt, die mir im Stehen gestorben zu sein schien. Ich ging meilenweit durch die Stadt und saß dann stundenlang im Park. Ich ging ins Büro und schloß mir selbst die Türen auf, weil noch keiner da war. Ich erledigte ein Arbeitspensum, zu dem ich zwanzig Stunden gebraucht haben muß. Dann nickte ich an meinem Schreibtisch ein. Ich wachte auf, als ich die anderen kommen hörte, und es war sechs Minuten vor acht Uhr morgens, am selben Tage, heute. Nicht zwei Stunden waren vergangen, seit ich aufgestanden war, und die Zeit lief wieder normal. Aber inzwischen waren Dinge geschehen, die sich niemals in zwei Stunden hineinquetschen lassen.«
    »Eine Frage zuvor, Vincent: Haben Sie tatsächlich diese Arbeit erledigt, die Arbeit von vielen Stunden?«
    »Ja. Sie war getan, und zwar in dieser Zeit getan. Sie hat sich nicht etwa verflüchtigt, als die Zeit wieder normal wurde.«
    »Zweite Frage: Hatten Sie sich Sorgen gemacht, weil Sie mit Ihrer Arbeit in Rückstand geraten waren?«
    »Ja. Sehr sogar.«
    »Dann gibt es eine Erklärung: Sie gingen gestern abend zu Bett. Aber sehr bald standen Sie in einem somnambulen Zustand wieder auf. Es gibt beim Somnambulismus Aspekte, die wir keineswegs verstehen. Diese Zwischenspiele mit der aus dem Brennpunkt geratenen Zeit waren Teile Ihres schlafwandlerischen Traumes. Sie zogen sich an, gingen ins Büro und arbeiteten die ganze Nacht durch. Es ist möglich, im Somnambulzustand Routinearbeiten zu erledigen, sogar mit fieberhafter Schnelligkeit, sogar ans Wunderbare grenzende Leistungen zu vollbringen. Dann, als Sie fertig waren, mögen Sie an Ihrem Tisch in normalen Schlaf gefallen sein und sind dann bei der Ankunft Ihrer Kollegen direkt aus Ihrem somnambulen Traum erwacht. So. Das ist eine plausible und brauchbare Erklärung. Bei bizarren Vorkommnissen ist es immer gut, wenn man auf eine rationale Erklärung zurückgreifen kann. Diese wird gewöhnlich den Patienten befriedigen und beruhigen. Aber oftmals befriedigt eine solche Erklärung mich selbst keineswegs.«
    »Ihre Erklärung befriedigt mich beinahe, Doktor Mason; jedenfalls mindert sie meine Bedenken erheblich. Ich bin sicher, daß ich in kurzem imstande sein werde, sie völlig zu akzeptieren. Aber warum sind Sie denn nicht damit zufrieden?«
    »Der eine Grund ist ein Mann, ein Taxifahrer, den ich heute früh am Morgen behandelt habe. Er hatte schwere Verletzungen im Gesicht und hatte – oder hatte beinahe – einen Geist gesehen; einen Geist von unglaublicher Geschwindigkeit, den er mehr spürte als sah. Dieser Geist öffnete in voller Fahrt die Tür seines Taxis, riß die Bremse an und verursachte dadurch die Kopfverletzungen des Mannes. Er war noch halb betäubt und hatte eine leichte Gehirnerschütterung. Ich habe ihn überzeugt, daß er gar keinen Geist gesehen hat, sondern am Steuer eingeschlafen und irgendwo gegengefahren sein muß. Wie ich sagte, bin ich schwerer zu überzeugen als meine Patienten. Aber es kann ja auch ein Zufall gewesen sein.«
    »Das will ich hoffen. Aber Sie haben anscheinend noch einen

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