900 Großmütter Band 2
verließen das Amtsgericht, verstauten sich in ihrem Camping-Wagen und fuhren los, um ihr Land zu suchen. Am Hause eines Rinder- und Weizenfarmers namens Charley Dublin hielten sie an. Dublin begrüßte sie mit einem Grinsen; anscheinend hatte man ihm schon Bescheid gesagt.
»Kommt mit, wenn ihr wollt, Leute«, sagte er. »Der beste Weg ist zu Fuß über meine Wiese hier. Euer Land liegt direkt westlich von meinem.«
Sie gingen das kurze Stück bis zur Grenze.
»Mein Name ist Tom Rampart, Mr. Dublin.« Der sechsjährige Tom fühlte sich verpflichtet, unterwegs Konversation zu machen. »Aber in Wirklichkeit heiße ich Ramirez, nicht Tom. Ich bin die Frucht eines Fehltritts meiner Mutter – es passierte in Mexiko, vor ein paar Jahren.«
»Der Bengel ist ein Spaßvogel, Mr. Dublin«, verteidigte sich die Mutter, Nina Rampart. »Ich bin nie in Mexiko gewesen – aber manchmal verspüre ich das Bedürfnis, dahin zu verschwinden und nicht wiederzukommen.«
»Ah ja, Mrs. Rampart, und wie ist der Name Ih res Jüngsten hier?« fragte Charley Dublin.
»Fatty«, sagte Fatty Rampart.
»Aber so bist du doch bestimmt nicht getauft?«
»Audifax«, sagte der fünfjährige Fatty.
»Ah ja, Audifax. Bist du auch ein Spaßvogel?«
»Jetzt kann er es schon besser, Mr. Dublin«, sag te Mary Mabel. »Er war bis vorige Woche ein Zwilling. Seine Zwillingsschwester hieß Skinny. Mama ging bloß mal kurz einen saufen und ließ Skinny ohne Aufsicht. Aber da gab es wilde Hunde in der Nachbarschaft. Als Mama zurückkam – wissen Sie, was von Skinny noch übrig war? Zwei Halswirbel und ein Fußknöchel. Das war alles.«
»Arme Skinny«, sagte Mr. Dublin. »Also, Rampart, hier ist der Zaun, mein Land ist hier zu Ende. Ihres ist genau dahinter.«
»Gehört der Graben da zu meinem Land?« fragte Rampart.
»Dieser Graben ist Ihr Land.«
»Ich werde ihn auffüllen lassen. Das ist ja ein gefährlich tiefer Einschnitt, wenn er auch schmal ist. Und der Zaun hinter dem Graben sieht ja ganz gut aus. Da habe ich bestimmt ein ganz hübsches Stück Land dahinter.«
»Nein, Rampart, das Land hinter dem zweiten Zaun gehört Holister Hyde«, sagte Charley Dublin. »Da, an diesem Zaun, ist Ihr Land schon zuende.«
»Na, Moment mal, Dublin! Da stimmt doch was nicht. Mein Land hat hundertsechzig Acres, das ist eine halbe Meile Seitenlänge. Also wo ist meine halbe Meile in der Breite?«
»Zwischen den beiden Zäunen.«
»Das sind ja noch keine acht Fuß?«
»Sieht so aus, nicht wahr, Rampart? Ich werd’ Ihnen was sagen: hier liegen ja genügend Steinbrocken grade in der richtigen Größe rum. Versuchen Sie mal, einen über den Graben zu werfen!«
»Ich bin nicht an irgendwelchen derartigen Kinderspielen interessiert«, explodierte Rampart. »Ich will mein Land!«
Die Rampart-Kinder dagegen waren durchaus an solchen Spielen interessiert. Sie schnappten sich ein paar Brocken und versuchten, sie über den kleinen Graben zu schmeißen. Die Steine benahmen sich komisch. Sie blieben, so sah es wenigstens aus, in der Luft hängen und wurden dabei immer kleiner. Und wenn sie ’runterfielen, genau in den Graben, dann waren sie nur noch so groß wie Kiesel. Keiner konnte einen Stein über den Graben werfen – und die Gören verstanden was vom Schmeißen!
»Sie und Ihr Nachbar haben sich diesen Schwindel ausgedacht, damit Sie freies Land einzäunen und für sich verwenden können!« beklagte sich Robert Rampart.
»Keine Rede davon, Rampart«, sagte Dublin ganz freundlich. »Mein Land hat genau seine richtigen Grenzen. Hydes auch. Und Ihres auch, wenn wir nur wüßten, wie wir es dazwischen einpassen sollen. Das ist wie auf so einem Vexierbild. Von hier bis da ist es wirklich eine halbe Meile, aber das Auge geht irgendwie verloren, wenn Sie rüberschauen. Kriechen Sie durch den Zaun und sehen Sie selber!«
Rampart kroch durch den Zaun und richtete sich hoch, um über den Graben zu springen. Dann zögerte er. Er warf einen Blick hinein und sah, wie tief er war. Aber er war immer noch keine fünf Fuß breit.
Im Boden stak ein kräftiger Zaunpfahl, zum Eckpfosten bestimmt. Rampart zog ihn mit einiger Anstrengung heraus. Dann stellte er ihn so auf den Boden, daß er wie eine Brücke über den kleinen Graben fallen mußte. Aber der Pfahl fiel zu kurz – und das hätte er nicht tun dürfen. Ein acht Fuß langer Pfahl mußte doch einen fünf Fuß breiten Graben überbrücken.
Der Pfosten fiel in den Graben, und rollte und rollte und rollte. Er wirbelte
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